Dass Gerhard Henke-Bockschatz Didaktiker ist, macht sich in seiner knappen Darstellung des ersten Weltkriegs positiv bemerkbar: Er nutzt eher kurze Sätze und wenige Fachbegriffe. Mit anderen Worten: Sein Buch ist gut verständlich.
Die Struktur lädt zu kursorischer Lektüre ein: Klar umrissene Kapitel behandeln genau das, was draußen draufsteht. Gerhard Henke-Bockschatz kann sich da erfreulich kurz und prägnant ausdrücken. Wer also was zu den Konstellationen vor 1914 wissen will, kann die ersten 56 Seiten lesen, der Ablauf des Kriegsgeschehens an den verschiedenen Fronten reicht anschließend bis Seite 99 und die Ausführungen zur Kriegsführung mit Begriffen wie „Materialschlacht“ und „Kriegsverbrechen“ umfasst die Seiten 107 bis 121. Sie sehen, das sind alles überschaubare Seitenzahlen – dafür stecken sie voller Information.
Interessante Themen neben den genannten sind dann noch die zu Ausbildung und Rekrutierung der Soldaten; man macht sich das ja nicht klar, aber die meisten der Männer, die im Krieg standen, waren eben keine gut ausgebildeten Soldaten. Die Haltung der Sozialdemokratie und die Auswirkungen des Kriegs auf das Leben der Frauen und Kinder daheim sind weitere Unterkapitel. Wussten Sie, dass die Witwenrente der Soldatenwitwen im Laufe der vier Kriegsjahre drastisch gekürzt wurde? So wurde auch ohne die Versorgungsengpässe durch die Blockade die Armut und damit auch die Schwarzarbeit gefördert.
Gerhard Henke-Bockschatz schreibt sachlich, knapp und verständlich; mir ist aufgefallen, dass er sich dabei meist der Wertung enthält; so gibt es keine emotionalen Schilderungen des Elends der Soldatenwitwen, sondern nur die Bemerkung, dass das eine mit dem anderen zusammenhängt.
Insgeamt umfasst das Buch rund 250 Seiten – darin werden sehr viele Aspekte des Kriegs und seiner Auswirkungen behandelt. Klar, dass dann nicht alle Einzelaspekte behandelt werden können. So erfahren wir über von Spees Seeabenteuer nur, dass er am Ende vor den Falkland-Inseln versenkt wurde; von seinen anfänglichen Erfolgen oder der Odyssee der „Emden“ erfahre ich hier nichts. Das sollte man bei der Lektüre im Blick behalten. Wer sich für einen Einzelfall besonders interessiert, muss dann auch ausführlichere Darstellungen dazu lesen.
Im Schlusswort lässt Gerhard Henke-Bockschatz dann doch eine Meinung erkennen – er bietet eine Interpretation zur „Kriegsschuld“, die sehr ähnlich klingt, wie eine Zeile in „Der Graben“ von Kurt Tucholsky:
In die Gräben schickten euch die Junker,
Staatswahn und der Fabrikantenneid.
(Kurt Tucholsky, Der Graben)
Gerhard Henke-Bockschatz: Der Erste Weltkrieg. Eine kurze Geschichte, Reclam Verlag, Stuttgart, 2014, ISBN: 9783150109748
Bisher gibt es noch keine Kommentare