Matrosenanzüge für Kinder, eine umfassende Begeisterung für die Marine – das sind Zeichen für die Ambitionen Wilhelms II ins Sachen Seestreitkräfte. Im ersten Weltkrieg sollte sie dann Entscheidendes leisten. Tat sie aber nicht. Nicolas Wolz schildert in seinem Buch, wie es dazu kam. Er stellt – getreu dem Untertitel „Deutschland, Großbritannien und der Krieg zur See 1914-1918“ – die beiden Seestreitkräfte einander gegenüber. In einer Tabelle werden die Bezeichnungen der unterschiedlichen Dienstgrade vorgestellt.
Im Kapitel über die Langeweile im Hafen – die deutschen Schiffe lagen quasi in der Heimat, aber die britischen „j. w. d.“ bei den Orkney-Inseln – zeigt er die unterschiedliche Bewertung von Sport und Spiel der beiden Nationen auf. Wenngleich die Mentalität in Hinblick auf Hierarchie und Wettbewerb unterschiedlich war, so gab es doch den Konsens beim Ehrbegriff: Mit wehender Fahne unterzugehen statt sich zu ergeben, wurde von beiden Seiten erwartet und auch respektiert. Das Bild oben zeigt eine Schlachtschiffformation in der Nordsee – wenn sie denn mal ausliefen. Die Gründe der britischen Seite, die große Seeschlacht nicht zuzulassen, waren rein pragmatischer Natur – warum eine Schlacht mit vielen potentiellen Opfern riskieren, wenn die geographischen Gegebenheiten einem die Blockade so leicht machen? Die britischen Marineangehörigen hatten, wenn sie Heimaturlaub hatten, heftig unter der Kritk, Feiglinge zu sein, zu leiden.
Naturgemäß halten sich die Schilderungen von Seegefechten in bescheidenem Rahmen – Skagerrakschlacht, der Kampf der Ostasienflotte, U-Boot-Krieg, Doggerbank und ein paar Vorstöße der deutschen Marine an die englische Küste. Die psychische Belastung der Untätigkeit nimmt wesentlich breiteren Raum ein. Der Vergleich mit den Landstreitkräften ist für viele Männer schrecklich.
Nicolas Wolz greift auf Tagebücher und Briefe zurück, um die Stimmung der Mannschaften wie der Offiziere einzufangen. Das hat manchmal eine gewisse Länge – ist aber aufschlussreich. Der Autor greift dafür auf viele ungedruckte Quellen zurück, auf staatliche wie private Archive – auch wenn er naturgemäß eine Auswahl vornehmen musste, ist damit doch ein hoher Grad an Authentizität gewährleistet. Sein Blick geht über den ersten Weltkrieg hinaus – bis hin zu Verhalten im zweiten Weltkrieg, das durch Ereignisse gut 20 Jahre zuvor geprägt wurde; ein interessanter Aspekt.
Nicolas Wolz ist ein interessantes Buch gelungen, das EInblick in eine sonst weniger beachtete Szenerie des Ersten Weltkriegs erlaubt. Schön ist dabei der „bilaterale“ Blick.
Nicolas Wolz: „Und wir verrosten im Hafen“. Deutschland, Großbritannien und der Krieg zur See 1914-1918, dtv, München, 2013, ISBN: 9783423280259
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