Jetzt muss ich erst mal was beichten: Die Winnetou-Trilogie gehört zu den Karl-May-Büchern, die ich am wenigsten gelesen habe … Vor allem um den dritten Band hab ich immer einen Bogen gemacht. Genau wie bei den Filmen – ein Mal hat mir gereicht. *ßu ßu traurig*
Jetzt ist es raus.
Das Buch von Helmut Schmiedt zur Winnetou-Trilogie hab ich trotzem mit Gewinn und Genuss gelesen. Helmut Schmiedt ist ein ausgewisener Karl-May-Spezialisten, dessen Karl-May-Biographie ich 2012 rezensiert habe. Ein Vademecm zur Winnetou-Trilogie nennt Harald Eggebrecht in seiner Rezension den Band – und er hat Recht. Helmut Schmiedt hat hier sein im Laufe von Jahrzehnten angesammeltes Wissen zusammengefasst – und dabei handelt es sich nicht nur um das Wissen rund um die Winnetou-Trilogie. Als Biograph kennt er die Lebens- und Schreibumstände des Autors Karl May. Als Literaturwisenschaftler weiß er um die literarischen und historischen Bezüge rund um Karl May und seine Zeit. Es geht also nicht nur um die drei Bände, die den Namen Winnetou im Titel tragen.
Systematisch erschließt er die verschiedenen Ebenen von Produktion, Intertextualität und Wirkung der Winnetou-Trilogie. War Ihnen bewusst, dass die drei Winnetou-Bände erst recht spät im Werk Karl Mays entstehen? Erst ab 1893 – also vor 125 Jahren – entstehen die drei Bände, die seitdem als eine Einheit firmieren, es aber nicht sind. Karl May hat in Zusammenabeit mit dem Verleger Fehsenfeld einer Ausgabe seiner bisher in Zeitschriften verstreuten Reiseerzählungen in Angriff genommen. Dass er, besonders im zweiten Band der Winnetou-Trilogie, einiges schon Bestehende zusammengesetzt hat, war mir spätestens seit meinem Vortrag zu Karl May im Jahr 2012 klar. Thema war die Gestalt Winnetous in ihren Variationen; daraus wurde später ein Teil meiner Reihe zu Freunden und Gefährten bei Karl May. Helmut Schmiedt schildert diese Entstehungsgeschichte kenntnis- und detailreich.
Neben diesen werkinternen Aspekten widmet Helmut Schmiedt auch dem Umfeld Mays, seiner Zeit, Gesellschaft und der Politik, einige Aufmerksamkeit. Gerade der Anfang des ersten Bandes, die berühmte Einleitung zum „Untergang der roten Rasse“, bietet in Kombination mit anderen Aussagen zum Thema dafür Anlass genug.
Für mich war Karl May ja immer so eine Art „intuitiver Drauflosschreiber“ – bis ich mir ernsthaft Gedanken zu den Handlungsfäden, gerade bei den Münchmeyer-Romanen, gemacht habe. Helmut Schmiedt geht den schreibhandwerklichen Fähigkeiten Mays nach – ganz so naiv war May auf dem Gebiet nämlich nicht.
Weitere Aspekte, die Helmut Schmiedt behandelt: die Rolle von Frauen, das Verhältnis von unterschiedlichen Kulturen und, obwohl ich ja die Geschichte aus Winnetou IV kenne, für mich überraschend, die Einstellung Karl Mays zu Technik und Innovation – dort kommt elektrische Bildwiedergabetechnik zum Einsatz!
Gerade im Zusammenhang mit diesem nachgereichten Band wird die Wandlung des Schriftstellers Karl May zum Thema – von Abenteuer-Geschichten mit viel Gewalt, wenn auch humanstischen Anflügen, hin zum Autor pazifistischer Bücher, dem Erfinder des „Edelmenschen“ – ein spannender und spannungsreicher Teil der Autorenvita Karl Mays.
Helmut Schmiedt hat mit dem Band ein Werk vorgelegt, das literaturwissenschaftlichen Ansprüchen genügt, sich aber leicht lesen lässt. Ich schätze an ihm diese lakonischen Aussagen, die immer wieder auftauchen. Sie machen deutlich, dass Helmut Schmiedt bei aller Kritik an Karl May als Autor ihn doch sehr mag. Das wird auch deutlich an seiner Freude, mit er mir im Spätsommer ezählte, sein neues Buch werde beim Karl-May-Verlag erscheinen, in der Aufmachung wie ein Band von Karl May selber.
Wenn dieses Buch auch keins ist, das man mal eben schnell durchschmökern kann, bietet es doch, wie ein echtes Vademecum, die Möglichkeit, gewisse Aspekte immer wieder nachzulesen. Das Inhaltsverzeichnis ist dafür detilliert genug. Für Winnetou- wie für Karl-May-Fans ein gutes Buch.
Helmut Schmiedt: Die Winnteou-Trilogie. Über Karl Mays berühmtesten Roman, Karl-May-Verlag, Bamberg, 2018, ISBN: 9783780205636
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