Na, der Titel lässt mich doch vermuten, dass es an miesen Tagen keinen Mangel geben wird, oder?
Also machte ich mich mit leisem Bauchgrummeln an die Lektüre. Miese Tage sind gerade nicht so das, was ich im Moment so brauche …
Ewald Arenz kann erzählen. Meine Einschätzung, spätestens seit ich „Alte Sorten“ gelesen habe – allerspätestens. Und das gilt auch für „Die Liebe an miesen Tagen“ – ich bin sofort mittendrin im Leben von Clara und Elias – in jedem einzeln.
Ewald Arenz erzählt die Innensichten der beiden. Was ihnen wichtig ist, Was sie sehen, hören, riechen.
Die Story?
Zwei Menschen, die sich Vorwürfe machen, in einem falschen Leben zu hängen, begegnen sich und stellen fest: Da ist jemand mit ähnlichem Humor, mit einer Sicht auf die Welt, die zur eigenen passt. Leichtigkeit begleitet die Phase des Kennenlernens und der ersten gemeinsamen Zeit. Ewald Arnez entwickelt diese Entwicklung ausführlich – es ist eine Lust, das zu lesen.
Da sitze ich dann da und frage mich „Wann passiert denn nun das Schlimme?“ Auch wenns ein Happy End gibt – Krise muss auch im Unterhaltungsroman. Erst recht bei „miesen Tagen“ im Titel.
Und hier greift Ewald Arenz dann in die Vollen – unter Lebensgefahr geht es nicht.
Dazu jede Menge Missverständnis und Schuldgefühl. Die Innensicht lässt mich Einsichten der Figuren miterleben – quasi subkutan.

Die große Krise kommt aber erst nach fast Zweidritteln des Romans – fast könnte ich mich der Hoffnung hingeben, das Schlimme komme gar nicht. Tut es aber – und so, dass ein Happy End auch missglücken könnte.
Zum Personal:
- Elias ist Schauspieler, in einer Beziehung, die er nicht will, mit einer Tochter, die er zu selten sieht.
- Clara ist Witwe, Fotografin, eine Augenfrau, die ziemlich zu Beginn arbeitslos wird – mit Ende 40 kein Zuckerschlecken.
- Vera wird von Elias verlassen und spielt später eine richtig wichtige Rolle – in Elias‘ Leben aber auch darüber hinaus.
- Jule, Elias‘ halbwüchsige Tochter, findet sich mit den Frauen in Vaters Leben ganz gut zurecht.
- Jan, Claras Bruder, ihr engster Vertrauter, ihr bester Freund, jemand, auf den sie sich verlassen kann.
- Mona, Jules Mutter, hat auch einen Auftritt, als es so richtig dramatisch wird.
- Claras demente Mutter wirft so manche Zeitplanung über den Haufen, weil sie wieder mal ausbüxt und Clara sie suchen muss.
Spannendes Personal, in der Tat. Sie können sich auf sehr witzige, sprachverspielte und berührende Szenen einstellen
Wie schreibt Ewald Arenz?
Was er seine Figuren so alles beobachten lässt:
- Wie sich Menschen bewegen (nicht nur Elias beobachtet das bei Clara intensiv)
- Naturschilderungen
- Stimmungen
Ich mag die Art, wie das in im Grunde schnörkelloser Sprache rüberkommt. Und auch Orte haben Charakter. Clara ist in Hamburg und besucht die englische Kirche. Das liest sich dann so:
Innen war die Kirche vor allem weiß. (…) Es gab einen roten Läufer und die Bänke waren aus einfachem Holz, trotzdem war das Schiff vor allem hell. Und es war sehr still. Wenn es so etwas wie eine unaufgeregte höfliche Kirche gab, dann war es diese hier. Als ob die ganze Inneneinrichtung sagen wollte: wenn du willst, nimm Platz. Aber lass dich nicht aufhalten, wenn du etwas anderes im Sinn hast. Wir sind später auch noch da.
S. 311f
Sehr einladend, nicht wahr? Wenn ich mal in Hamburg bin, will ich mir diese Kirche auch ansehen.
Eine kleine „Reisebeschreibung“ gefällig?
Eine kleine Gruppe mit einem geschätzten Gesamtalter von sechshundert Jahren radelte auf E-Bikes entspannt den steilen Berg hoch. Ein Mittwochvormittag, fast noch Morgen eben. Die Stille um sie wie ein ganz leichtes Tuch. Die Glocken des Klosters. Ab und zu ein Auto oder ein Traktor auf den Straßen.
S. 185
Stimmungen sind das große Talent von Ewald Arenz – finde ich. Ich mag das Buch 😉
Ewald Arenz: Die Liebe an miesen Tagen, DuMont Verlag, Köln, 2023, ISBN: 9783832182045
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