Inhalt des Beitrags
Zu diesem Debut von Christine Féret-Fleury hab ich ein gespaltenes Verhältnis: Die Idee ist zauberhaft, die Umsetzung teilweise gut, teilweise eher nicht. Und die Gestaltung des Buchs ist große Klasse!
Was erzählt Christine Féret-Fleury?
Juliette ist eine junge Frau, die sich in einem Leben eingerichtet hat, das wenig mit Leben zu tun hat. Sie arbeitet für eine Immobilienagentur und findet vieles an dem Job auszusetzen. Ihre Rettung: Lesen, lesen, lesen. Unter anderem in der Metro, Linie 6, die sie jeden Tag nutzt. Dort geht sie aber ihrer anderen, heimlichen, Leidenschaft nach: Leserinnen beobachten. Ein paar Leute fallen ihr auf, deren Macken sie nach einer Weile kennt: Die Frrau, die immer dasselbe Kochbuch auf dem Schoß hält, der Mann mit den Büchern zu Spinnen und Insekten und die Frau, die immer, aber wirklich immer, auf Seite 247 anfängt zu weinen.So könnte es weitergehen – tut es nicht, denn schließlich will Christine Féret-Fleury uns eine Geschichte erzählen. Eines Tages steigt Juliette früher aus, geht ein Stück zu Fuß, findet ein Antiquariat mit einem sehr besonderen Inhaber und entdeckt eine spezielle Form des Book-Crossings. Soliman, der Antiquar, schickt Leute auf den Weg, anderen Bücher zukommen zu lassen – und zwar die Bücher, die sie gerade brauchen. Juliette wird eine der Botinnen. Und plötzlich schmeißt sie ihr bisheriges Leben hin, kündigt und steht auf der Straße. Da bittet Soliman sie, für eine Weile seine Stellvertreterin zu sein – im Antiquariat und für seine Tochter Zaide. Juliette nimmt an – und gerät in eine Krise. Nun ja, am Ende steht sie ganz anders da als zu Beginn.
Wie erzählt Christine Féret-Fleury?
Sehr bibliophil – ihre Auslassungen über Bücher aller Epochen sind mit das Beste an dem Buch. Die Geschichte selber hat einige Brüche, die nicht einfach mit „Freiraum für die Phantasie der Leserin“ erklärt werden können. Und das größte Manko: Die anderen Figuren bleiben etwas konturlos. Dadurch werden die Entscheidungen – von ihnen wie von Juliette – schwer nachvollziehbar.
Es gibt Passagen, die an „Lebenshilferomane“ erinnern, wie ich sie nicht mag … Aber es gibt eben auch Szenen, die so richtig lebendig sind – Zaide ist eine Figur für solchen Szenen. Sie will, im Gegensatz zu Juliette und Soliman, ins echte Leben hinaus, sucht Abenteuer und bringt ihre Kritik manchmal sehr schön auf den Punkt.
Das „manchmal“ ist das Problem bei dem Buch: Es schwankt im Stil und auch in Sachen Stringenz. Andererseits kann es ein zauberhaftes Märchen rund ums Lesen sein; Gegen Ende gibt es so eine Passage – Juliette geht mit einer unvollendeten Geschichte da raus, ich als Leserin aber auch. Eine Gelegenheit, die eigenen Fortsetzungen zurechtzuspinnen. Das kann sehr nett sein. An der Stelle passt es. An anderen erschien es mir unbefriedigend.
Was hat es mit der Gestaltung auf sich?
Den Schutzumschlag zieren Bücherregale mit ein paar erkennbaren Titeln (die auch im Buch erwähnt werden) – sehr filigran und hübsch. Zwischen und auf den Büchern gibt es einiges zu entdecken. Bevor aber der Roman von Christine Féret-Fleury beginnt, kommen 16 Seiten zum Selbst-Beschreiben:
- Bücher, die mein Leben verändert haben
- Bücher, die ich noch lesen möchte
- Bücher, die ich verschenken will
- Bücher, die ich als Kind gelesen habe
Am Ende gibt es eine Liste mit Titeln, die Juliette in ihr neues Leben begleiten – da ist auch einiges Unbekannte dabei, also Leseempfehlungen, völlig unsortiert.
Christine Féret-Fleury: Ds Mädchen, das in der Metro las, übersetzt von Sylvia Spatz, DuMont Buchverlag, Köln, 2018, ISBN: 9783832198862
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