Das Märchen von der Vernunft von Erich Kästner.

Das Märchen von der Vernunft von Erich Kästner.

„Das Märchen von der Vernunft“ erschien bereits 1948 in dem Band „Der alltägliche Kram “. Bedauerlicherweise hat dieser kleine Text von Erich Kästner nichts an Aktualität verloren.

Erich Kästner war das wahrscheinlich klar. Das „Märchen“ im Titel deutet schwer darauf hin.

Was erzählt Erich Kästner in „Das Märchen von der Vernunft“?

Ein kleiner netter alter Herr macht Staatsoberhäuptern einen Vorschlag. Einen Vorschlag, der für Frieden auf der Welt sorgen soll. Er ist schon bekannt dafür, mit seinen kuriosen vernünftigen Ideen die Weltenlenker zu drangsalieren. Aber was sollen sie machen? Er ist eben bekannt und kann nicht ignoriert werden.

Seine Idee: mit Hilfe einer gewaltigen Summe sollen Menschen das Lebensnotwendige zur Verfügung gestellt bekommen, auf Staatskosten. Die Summe entspricht den Kosten des letzten großen Krieges.*

Wie alle, die Politik verfolgen, sich denken können, kommt dieser Vorschlag nicht gut an. Der nette kleine alte Herr wird ausgelacht, mit dem zentralen Satz: „Aber ein Krieg ist doch etwas ganz anderes!“

Warum eine Neuausgabe?

Einmal, weil der Text so aktuell ist. Dann ist er aber auch von Ulrike Möltgen sehr eindringlich illustriert worden. Der nette kleine alte Herr trägt den Kopf von Erich Kästner himself. Ungefähr aus der Zeit, in der der Text entstanden ist. Seine Ideenfabrik besteht aus vielen verschiedenen technischen naturwissenschaftlichen und sonstigen Bestandteilen, die die Illustratorin in ihren Bildern kombiniert. Sein Auditorium besteht ja aus Staatsoberhäuptern und Ulrike Möltgen lässt sie alle auftreten:  Churchill und Washington und Stalin. Ich meine auch Adenauer, Putin und Ji Xingping entdeckt zu haben. Zumindest Putins langer Tisch ist unübersehbar.

Illustration aus "Das Märchen von der Vernunft" - EineFigur mit Erich Kästners Kopf sintzt an einem langen Tisch. Am anderen Ende sind schemenhafte Kopfformen mit Schirtzügen in verschiedenen Sprachen und Schriftarten, die alle "Vernunft" bedeuten. Oben auf dem Buch liegt eine Schere mit rotem Griff, um die Seiten offen zu halten.

Diese Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen in den Bildern bringt die Aktualität des Textes, trotz der zeitgebundenen Zahlen und Anreden, deutlich an den Tag. Von daher ist es sinnvoll, diesen politischen Text von Erich Kästner als kleines Einzelwerk erneut vorzulegen.

*Wie auf der letzten Seite zu lesen steht, ist weder die Zahl noch das, was man damit machen könnte, Kästners ureigene Idee, sondern entspricht den Aussagen einer amerikanischen Statistik von 1948.

Erich Kästner: Das Märchen von der Vernunft, illustriert von Ulrike Möltgen, Atrium Verlag, Zürich, 2024, ISBN: 9783855350704

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

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