Die Geschichte vom Prinzen Genji von Murasaki Shikibu

Die Geschichte vom Prinzen Genji von Murasaki Shikibu

Seit der Buchmesse 2014 liegt dieses bibliophile Prachtwerk bei mir rum und wartet auf seine Besprechnung. Aber dieser klassische japanische Roman, verfasst von der Hofdame Murasaki Shikibu (naja, ob die Hofdame so hieß, ist fraglich; da sie unbekannt ist, hat man den Namen der Protagonistin zum Autorinnennamen gemacht) so um das Jahr 1000 u. Z. hat ja schon ein gewisses Alter – da kann auch die Besprechung im Blog ein wenig warten. Es ist halt kein Buch „für mal eben zwischendurch“; die beiden Bände aus dem Manesse Verlag umfassen rund 1800 Seiten und da die Handlung a) weit weg und b) vor langer Zeit spielt, sind die Anmerkungen durchaus hilfreich (erfreulicherweise stehen sie als Fußnoten direkt unter dem Text – hier wäre ständiges Nach-hinten-Blättern echt umständlich).

Im Vorwort erläutert Oscar Benl, der Übersetzer und Fachmann für japanische Literatur, schon mal ein paar Hintergründe, einschließlich solcher Spezialinformationen wie über appretierte und nicht-appretierte Stoffe, über die Kleidung – mehrschichtiges System – und das Farbempfinden, über die Hofgesellschaft, die Anlage des Palastes und vieles mehr. Zu Glück tauchen die Informationen an passenden Stellen noch mal in den Fußnoten auf, denn  man kann sich das unmöglich beim ersten Lesen alles merken.

Die Übersetzung von Oscar Benl stammt aus den 60er Jahren – den Roman um den Prinzen Genji zu übersetzen hat aus dem Original kein weiterer deutscher Übersetzer versucht; die einzige andere Übersetzung ins Deutsch ist eine aus dem Englischen  aus den 50er Jahren …

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Handgeschrieben Seiten des Genji Monogatari der Papierrolle aus dem 12. Jahrhundert
Wie schwierig die Überlieferungsgeschichte ist, ist ebenfalls Thema in der Einleitung zum Buch – es hat verschiedene Abschriften des Buches gegeben; mich hat diese Situation an die Überlieferung des Nibelungenliedes erinnert. Den jeweils verwendeten Textkorpus könnte man also auch noch diskutieren. Tanizaki Jun’ichirō, dessen 50. Todestag letztes Jahr war, hat seinerseits versucht, den Text in modernes Japanisch zu übertragen.

Erzählt wird die Geschichte des Prinzen Genji, dem Sohn eines Kaisers mit seiner vor allen anderen Frauen bevorzugten Konkubine, die früh stirbt – die Reaktion des Kaisers auf den Tod der geliebten Frau ist detailliert beschrieben, sein Kummer ist groß und berichtenswerrt. Der Sohn wird nicht sein Nachfolger – die reguläre Thronfolge setzt der Vater nicht zugunsten seines Lieblingssohns außer Kraft. So lebt der junge Prinz ohne wirtschaftliche Probleme, widmet sich den schönen Künsten und besonders den Frauen. Eine Zeitlang geht er in die Verbannung, kommt aber an den Hof zurück; er hat zahlreiche Geliebte, sein Innenleben wird detailliert geschildert und gedeutet. Es ist ein Roman, der in Hinblick auf psychologische Schilderungen einen modernen Touch hat. Ihn zu verstehen, ist schon schwieriger; sprachliche Eigentümlichkeiten der Heian-Zeit – aus Höflichkeit keine Namen zu verwenden, beispielsweise –  oder die Verwendung sehr vieler Gedicht-Zitate erschweren schon für den modernen japanischen Leser die Lektüre, wie sehr erst für uns. Andererseits – wenn ich die Gedichte einfach nur als Gefühlsausdruck nehme, kann ich die Zartheit der Gefühle nachempfinden.  Auch wenn die Geschichte so alt ist, lässt sie sich besser lesen als manch europäischer Klassiker – zumindests in der Übersetzung; wie es Japanern damit geht, weiß ich nicht. Ein Teil des Reizes für mich liegt darin, dass ich einen Einblick in einen historischen Teil derGesellschaft eines meiner Sehnsuchtsländer bekomme.

Die Neuauflage aus dem Jahr 2014 – ich erwähnte es im ersten Satz – ist ein haptisches und optisches Vergnügen. Der Einband aus Leinen sieht seidig aus und fühlt sich auch so an, das Papier ist edel, der Schuber für die beiden Bände zeigt einen Teil einer historischen Handschrift des Romans. Eine Ausgabe mit „Hach!“-Faktor 😉

Murasaki Shikibu: Die Geschichte vom Prinzen Genji. Altjapanischer Liebesroman, übersetzt von Oscar Benl, mit einem Nachwort von Eduard Klopfenstein, 2 Bände im Schuber, Manesse Verlag, Zürich, 20014, ISBN: 9783717523642

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

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