Heute vor 50 Jahren starb der japanische Autor Tanizaki Jun’ichirō. Seine Werke sind auch in Europa und in den USA viel gelesen worden. Mir waren auf der Buchmesse im Oktober die drei schön aufgemachten schmalen Bände aus dem Manesse-Verlag aufgefallen:
Japan ist ja eh‘ so ein Sehnsuchtsland von mir – also habe ich mich mit den Büchern beschäftigt.
Der Stil dieser Essays ist so eigenartig, dass ich erst mal zu Sekundärliteratur griff, um mich über den Autor und seine Zeit schlau zu machen. Tanizaki Jun’ichirō hat in den verschiedenen Phasen seines langen Lebens sein Thema – die Suche nach der Schönheit – unterschiedlichst abgehandelt. Als junger Autor nutzte er die noch recht frisch in Japan bekannt gewordenen Stilmittel des Westens. Der Japanologe Eduard Klopfenstein (der auch die vorliegenden Bücher übersetzt hat), spricht von einem Ästhetizismus, der sich an die Literatur des Fin de Siècle anlehnt.
Tanizaki Jun’ichirō lebte als moderner Mensch in einem modernen Japan – bis 1923 das große Erdbeben von Tokyo dazu führte, dass er in eine eher ländliche Gegend zog. In den zehn Jahren nach dieser Übersiedlung schrieb er acht Essays, in denen er sich mit unterschiedlichen Themen befasste – eine Standortbestimmung für ihn selbst und für Japan, wie er es sah, so Klopfenstein, und das in einer Zeit des Umbruchs.
Tanizaki Jun’ichirō war einerseits sehr durch die beginnende Moderne in Japan geprägt; er begann ein Studium der englischen und der japanischen Literatur, das er jedoch nicht beendete. Er schrieb Drehbücher, er liebte den Film. Und er nutzte die neuen Freiheiten des Schreibens, die die Adaption westlicher Vorbilder mit sich brachte. Doch in seinen Essays griff er auf traditionelle Ansichten zurück – die ihm nicht wenger vertraut waren. So ist er mit dem Kabuki-Theater groß geworden, das er in „Lob der Meisterschaft“ würdigt – und dabei gleichzeitig den Unterschied zwischen westlicher und japanischer oder östlicher Auffassung von Kunst herausarbeitet.
Das Bild der Frau unterschied sich zur Entstehungszeit seiner Essays zwischen Ost und West noch deutlicher als heutzutage – das ist eins der Themen im Essay „Liebe und Sinnlichkeit“: Verborgenheit, Dämmerlicht und die unterschiedliche Textur von Haut, Stoffen, Matten zeichnen die japanische Erotik in seinen Augen aus.
Die Auffassung von Licht und seinen Schattierungen spielt in „Lob des Schattens“ eine große Rolle – ein Buch, das Jahrzehnte nach seiner Entstehung im Westen für Architekten äußerst inspirierend war.
Das Hauptwerk Tanizaki Jun’ichirōs waren aber seine Romane. Der letzte ist gerade bei Manesse neu herausgegeben worden: „Tagebuch eines alten Narren“ – die Geschichte eines alten Mannes, der sich sinnliche Lust erkauft und auf die Konsequenzen pfeift. Schönheit, Erotik – das waren die Themen Tanizaki Jun’ichirōs. Was keinem anderen japanischen Autor glückte: Tanizaki Jun’ichirō ist in La Pléiade vertreten, der französischen Sammlung maßgeblicher französischer und ausländischer Literatur.
Die vorliegenden Übersetzungen sind nicht neu – es handelt sich bei allen genannten Titeln um Neuauflagen -, aber die schön gestalteten Bücher sind ein guter Anlass, einen spannenden Autor zu neu oder wieder entdecken.
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