70 Mal ist hier der erste Weltkrieg Thema – in 70 Erzählungen aus aller Welt. Der Manesse-Verlag hat ein schönes Werk aufgelegt – auch äußerlich. Der Leineneinband mit den Mohnblumen erinnert an die englische Sitte, mit Mohnblumen am Revers der Gefallenen des ersten Weltkreigs zu gedenken.
Bekannte Namen wie Stefan Zweig, Gertrude Stein, Marcel Proust und Alfred Döblin finden sich neben in Deutschland eher unbekannteren wie Saki, einem 1870 in Burma geborenen englischen Satiriker, Clément Pansaers, einem belgischen literarischen Avantgardisten oder Akutagawa Ryūnosuke, der japansiche Offiziere in englischer Sprache unterrichtete und die Vorlage für den Film Rashomon von Akira Kurosawa liefert – die Verfilmung gab es allerdings erst rund 25 Jahre nach seinem Freitod.

Alle denkbaren Aspekte des Kriegs werden von den Autorinnen behandelt: Das Leben und Überleben und auch das Sterben an der Front genauso wie die Auswirkungen des Kriegs in der Heimat, die inneren Verstrickungen und Konflikte; seelische Abgründe werden ausgeleuchtet und einzelne Kriegsereignisse reportagehaft geschildert. Stilistisch herrscht eine ebenfalls große Vielfalt: Satire und Romanze, Reportage und Expression – flapsig gesagt, ist für jeden Geschmack was dabei. Ein Buch zum Immer-wieder-in-die Hand-Nehmen – jeder Text bietet eine andere Facette des Kriegserlebens, alle zusammen schaffen einen komplexen Eindruck, der, anders als Sachbücher und Tagebuchveröffentlichungen, durch ihre literarische Qualität tiefer schaut und schauen lässt. Ein faszinierender Band.
Die Kurzbiographien am Ende helfen bei der Einordnung der einzelnen Namen und erschließen z. T. Kontexte zur Auswahl.
Horst Lauinger (Hg.): Über den Feldern. Der erste Weltkrieg in großen Erzählungen der Weltliteratur, Manesse-Verlag, Zürich, 2014, ISBN: 9783717523406
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