Inhalt des Beitrags
Dieses alte Schätzchen von Joan Aiken habe ich am Wochenende noch mal ausgegraben. Warum, das erzähl ich am Ende.
Was erzählt Joan Aiken?
Die Geschichte von Bonnie und Sylvia Green, denen es zwischenzeitlich echt schlecht ergeht: Bonnie ist die Tochter von Sir Willouhgby Green und und seiner kranken Frau. Für ihre Gesundheit planen die Eltern eine Seereise – um Bonnie die Zeit zu versüßen, wird Sylvia, eine arme Cousine aus London, eingeladen. Fräulein Slighcarp (ja, die Anreden sind in meiner alten Ausgabe alle auf Deutsch), ebenfalls eine entfernte Cousine, soll als Erzieherin und Verwalterin fungieren.
Wie zu erwarten, erweist sich diese Entscheidung als fatal: Die Dame will nicht verwalten, sie will besitzen. Sie drangsaliert die Kinder, entlässt die Dienerschaft und am Ende bringt sie Bonnie und Syliva in eine „Schule“ nach Blastburn, die eher einem Arbeitshaus gleicht. Mit Hilfe von Simon, einem Jugendlichen, der ungebunden im Park des Schlosses lebt, kommen die Mädchen frei und nach London. Sie retten Sylvias alte Tante vor dem Verhungern und finden Unterstützung bei Vaters Rechtsanwalt. Zusammen machen sich alle auf den Weg zurück ins nordenglische Schloss. Dorthin ist inzwischen die Schule aus Blastburn umgezogen. Während Fräulein Slighcarp und ihre Verbündete gefangengenommen werden, tauchen auf einmal Bonnies Eltern wieder auf; ihr Schiff war gesunken und alle hielten sie für tot. Happy End.
Es gibt einige sehr hübsche Einzelheiten rund um Simon. Mr. Grimshaw habe ich hier ebenso unterschlagen wie die Kinderfrau Pattern – das ist zum Selber-Entdecken.
Wie erzählt Joan Aiken?
Spannend. Ich habe das Buch als Kind wieder und wieder verschlungen. Erst später sind mir die Reminiszenzen an klassische englische Bücher aufgefallen; besonders an Jane Eyre und Oliver Twist. Die Schule in Blastburn und Blastburn selber sind düstere Orte.
Ansonsten aber bewegen sich Bonnie und Sylvia in einem Kokon der Fürsorge: Pattern und James, der Diener, umsorgen sie auch während der harten Zeit im Schloss liebevoll. Simon ist mindestens zwei Mal als Retter in der Not gefragt. Anwalt und Polizisten stehen vorbehaltlos auf der Seite der Kinder, als sie die Geschichte hören (gut, Herrn Grimshaws Auftauchen nachts um drei im Flur von Sylvias Tante fällt da ins Gewicht). Auf dem Weg nach London erleben sie nur nette Begegnungen. Und vor allem: Nachdem sie der Schule in Blastburn entronnen sind, ist immer genug zu essen in Reichweite. Und das ist der Aspekt, der mich sehr stark an Enid Blyton erinnert …
Joan Aiken vermischt in diesem Roman sehr geschickt Fantasie und Fakten – schon die zeitliche Einordnung weist darauf hin: Die Zeit eines Königs, der nicht existiert und mit einem Tunnel zwischen England und dem Kontinent (lag in den 60ern wohl in der Luft, war aber 1962, als das Buch erschien, noch sehr unwahrscheinlich. 1966 wird das Thema bei „Asterix bei den Briten“ angesprochen.) Der Tunnel ist Ursache für die Wölfe auf der Insel.
Der Originaltitle lautet „The Wolves of Willoughby Chase“ – da sind eindeutig nicht nur die vierbeinigen Raubtiere gemeint …
Warum hab ich jetzt ein so altes Kinderbuch von Joan Aiken gelesen?
Ganz klassisch – für mich: Ich hantierte mit kaltem Wasser und Wäsche und schwupps war da die Szene in der „Schule“ in Blastburn, wo Sylvia mit den anderen Waisen unter härtesten Bedingungen im Winter Wäsche waschen muss – mit kaltem Wasser.
Kennen Sie das auch, dass ein Ereignis, ein Geruch, ein Anblick auf einmal zu einem Buch führt? Mir geht das ständig so. Ich hatte auf jeden Fall ein paar nette Stündchen mit dem alten Schätzchen 😉
Joan Aiken: Wölfe ums Schloß, übersetzt von Ilse Lauterbach, Bertelsmann Jugendbuchverlag, Gütersloh, 1971, ISBN: 357075133
Es gibt eine Reihe neuer Ausgaben.
Nessa Altura
9. August 2020 at 19:18Ich denke immer an ein Buch, wenn ich Zimtschnecken esse. Die gabs nämlich bei Lisanders, der Familie von Kalles Freundin Eva-Lotte. In Kalle Blomquist. Und als Kind habe ich immer gedacht, baoh, die essen lebendige Schnecken, diese Schweden….wie eklig. An Bäckerschnecken habe ich nie gedacht, obwohl ich schon wusste, dass Eva-Lottes Vater Bäcker war.-
Mehr zu Kinderbucherinnerungen gibt es hier: https://autorenexpress.de/was-bedeuten-dir-kinder-und-jugendbuecher-heute-noch-wir-fragen-unsere-frauen-runde/
Heike Baller
9. August 2020 at 20:30Liebe Nessa,
„Kalle Blomquist“ gehört zu meinen all time favorites an Kinderbüchern – jedes Jahr hab ich alle drei Bänbde gelesen. Für mich das Stolpern Kalles über das Wort Indizien im ersten Band sehr wichtig – ich hatte keine Ahnung, was er meinte, hab das aber einfach so hingenommen – er hatte da ja auch Schwierigkeiten. Und im Laudfe der Zeit wusste ich ja, was es bedeutet. Und dann die Erwähnung von Lord Peter Wimsey – gleich auf er ersten Seite – wer weiß, vielleicht liebe ich Peter ja deshalb so sehr 😉
Liebe Grüße
Heike