Der Schmuck der Lady Catherine von Joan Aiken

Der Schmuck der Lady Catherine von Joan Aiken

Obwohl sie im Titel vorkommt, hat Lady Catherin de Bourgh in diesem Buch von Joan Aiken – entgegen ihres von Jane Austen ersonnenen Charakters – erst einmal nur wenig zu sagen.

Joan Aiken bedient sich des Personals, das Jane Austen eingeführt hat und ergänzt es nach ihren Bedürfnissen – völlig in Ordnung. Sie schreibt ja schließlich ein neues Buch. Was ich nicht so gut finde: Ihre Charakerisierung der Hauptperson, Mary Lucas, differiert ziemlich von der Mary, die Jane Austen eingeführt hat. Auch Anne de Bourgh hat sich stark verändert. Für beides gibt es gute Erklärungen, besonders bei Anne -, aber trotzdem hat es mich gestört, dass ein völlig naives Pflänzchen auf einmal nicht nur „Hausverstand“ aufweist, sondern sich als selbständige und kritische Person entpuppt. Nicht, dass ich es Mary nicht gönnen würde … Es handelt sich um ein Problem, das ich mit manchen der Bücher von Joan Aiken habe, die sich auf Vorlagen von Jane Austen beziehen. Sie erzählt spannende Geschichten, gewiss, aber manchmal sehe ich nicht ein, wieso sie sich auf „vorhandenes“ und damit in der Charakterisierung vorgeprägtes Personal stützt und es dann so völlig umstrickt.

Doch erst mal zum Inhalt des Buchs von Joan Aiken:

Es sind ein paar Jahre vergangen, Charlotte und ihr Mann, Mr. Collins, haben bereits zwei Kinder und die dritte Entbindung steht bevor. Mary kommt zum Helfen. Obwohl selbst unverheiratet, ist sie darin bereits erfahren. Vorher jedoch schneit auf Rosings Besuch herein – ein plötzlicher Wetterumsturz hat ein Geschwisterpaar in Eis und Schnee und Glätte geworfen, der Kutsche fällt, die Miss verstaucht sich den Knöchel und die beiden bekommen – zunächst widerwillig – ein Obdach in Rosings. Auftritt Mr. Colins – er muss nach Meryton, denn sein Cousin, Mr. Bennet, ist gestorben und es gilt, das Erbe zu regeln. Sehr zum Missfallen von Lady Catherine. Der junge Besucher bietet an, an Stelle von Mr. Collins die Gottesdienste zu halten. Außerdem macht er sch als Gartenarchitekt nützlich. Kurz und gut, die beiden jungen Leute bleiben auf Rosings. Es kommt noch mehr Besuch: Oberst Fitzwilliam begleitet seinen Onkel Lucius, den Bruder von Lady Catherine, nach Rosings.

Und dann ist da noch Annes Doppelleben:
Sie hat sich mit zwei Malern, die im Park in einem Cottage leben, und mit einem Gärtnerjungen angefreundet. Die beiden Maler – der alte und der junge Tom – leben dort auf Einladung von Annes verstorbenem Vater. Anne lernt hier einen ungezwungenen Umgang, erfährt jede Menge Anregung und blüht auf. Mit Joss, dem Gärtnerjungen, arbeitet sie im Garten – das alles darf Lady Catherine nicht wissen. Deshalb muss Anne immer mal wieder den Obergärtner bestechen. Mögliche Konflikte allerorten.

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Ja, solch üppigen Schmuck hat Lady Catherine auch getragen – er hat was mit ihrer Reise zu tun …
Dann reist Lady Catherine ab – eine Schwägerin von ihr liegt im Sterben und die Lady will verhindern, dass das Erbe verplempert wird. Auf dieser Reise geschieht ein Unfall – Lady Catherine findet sich in einem armselligen Haus wieder, mit einem Mann, der hohes Fieber hat. Raus kann sie nicht, die Tür ist verschlossen. Als ihr Mitbewohner wieder klar denken kann, gibt er ihr den Schlüssel, was aber nichts nutzt, denn das Häuschen steht auf einer Landspitze zwischen zwei Flussläufen, die Hochwasser führen. In dieser Zeit lernt die hochnäsige Lady Feuer zu machen, zu kochen  und sich mit einem sehr unbequemen Leben zu arrangieren. Außerdem erfährt sie Erhellendes über ihre jungen Besucher und ihren Bruder. Auf Rosings selbst gibt es in der Zeit auch Veränderungen und als die Lady wieder zu Hause auftaucht, erwarten sie ein paar deftige Überraschungen.

Ja, gerade das, was Lady Catherine so durchmacht, ist eine schöne Geschichte. Joan Aiken fürt auch dieses Mal wieder einen großen Hauch Realität in die Welt der Jane Austen (wobei – so ganz ohne ist Jane Austen da ja auch nicht gewesen, nur eben zurückhaltender). Hinzu kommen dann Elemente von großem Familiendrama mit ebensolcher Auflösung. Charlottes Vorgängerin im Pfarrhaus hat da einiges mit zu tun.

Insgesamt ist es ein unterhaltsames Buch, mit interessaten Einblicken in Gewohnheiten um 1800 in England. Die Anbindung an „Stolz und Vorurteil“ ist zwar enger als bei anderen ihrer Bücher – ich finde, Joan Aiken wäre auch ohne diese Anknüpfung ausgekommen.

Joan Aiken: Der Schmuck der Lady Catherine, übersetzt von Renate Orth-Guttmann, Diogenes Verlag, Zürich, 2001, ISBN: 3257234422

Der Beitrag gehört in meine Reihe „Beloved Jane“ zum 200. Todestag von Jane Austen im Sommer.

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

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