Scepter und Hammer, Die Juweleninsel – noch zwei Fortsetzungsromane von Karl May

Scepter und Hammer, Die Juweleninsel – noch zwei Fortsetzungsromane von Karl May

Wenngleich diese Romane eine ähnliche Mischung von Kitsch und Abenteuer aufweisen, wie die Münchmeyer-Romane, gehören sie eigentlich nicht in diese Reihe, denn sie erschienen in der Zeitschrift „Für alle Welt!“ in der Zeit von 1879-80, bzw. 1880-82. Neben den beiden Fortsetzungsromanen hat Karl May in dieser wöchentlich in Stuttgart erscheinenden Zeitung auch andere Texte veröffentlicht, insgesamt vier Jahre lang. Aufgrund der strukturellen Verwandtschaft zu den Münchmeyer-Romanen möchte ich diese beiden meiner Reihe anschließen.

Der Inhalt

In „Scepter und Hammer“ betreten wir zuerst norländischen Boden, lernen Doktor Max Brandauer, den Sohn des Hofschmieds, Prinzessin Asta von Süderland, den Prinzen von Raumburg und die Zigeunerin Zarba kennen. Die spricht dann eine Prophezeiung aus, in der die beiden Titelworte des Buches vorkommen. Max Brandauer erweist sich nicht nur als tüchtiger Schmied, sondern im Laufe der verwickelten Geschichte auch als Vertrauter des Königs von Norland, als geschickter Spion und talentierter Diplomat. Dass er tapfer und stark ist, bedarf keiner weiteren Erwähnung.

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Der Erkennungszeichen der Jesuiten
Die ersten neun Kapitel spielen in der Gegenwart von Max Brandauer. Es geht um die Auseinandersetzung zwischen den beiden Königreichen Norland und Süderland. Grund der Zwistigkeiten sind die Zollbarrieren. Der Vater des oben erwähnten Prinzen von Raumburg erweist sich als der Kopf hinter den diplomatischen Verwerfungen, denn als Vetter des kinderlosen Königs von Norland strebt er selbst nach der Krone und hofft, sie durch einen Putsch zu erlangen. Einer seiner Verbündeten ist ein Jesuit, der entgegen der Weisung des Königs, Jesuiten haben in seinem Lande nichts zu suchen, dort eifrig konspiriert. Um den Thronanspruch des Herzogs von Raumburg zu festigen, ist eine Eheschließung zwischen dessen Sohn, besagtem Prinzen, und der Prinzessin Asta vorgesehen.

Dieser Held Karl Mays, Max Brandauer, scheut sich nicht, seinem geliebten König unangenehme Wahrheiten zu sagen. Dieser Mann, der sich als Vater seines Volkes versteht, hat die alltägliche Regierungsgeschäfte in die Hände seines Cousins Raumburg gegeben, voll Vertrauen, das jedoch schwer getäuscht wird. Der Herzog von Raumburg neigt zu absolutistischem Gebaren und sieht die Untertanen nicht als „Kinder“, sondern als Untergebene.

Zarba, die Zigeunerin aus der ersten Szene erweist sich als Gegenspielerin des Herzogs. Es wird deutlich, dass sie früher seine Geliebte war; den gemeinsamen Sohn hat der Herzog aus dem Weg geräumt – er wird im Irrenhaus gefangen gehalten, wohin er auch die ehemalige Geliebte Zarba einliefern lässt, weil sie sich ihm entgegen stellt. Doch Max Brandauer entdeckt den geheimen Gang ins Schloss des Herzogs, den geheimnisvollen Versammlungsraum der Verschwörer in einer Schlossruine und kann den König davon überzeugen, dass sein Cousin gegen ihn arbeitet.

Das zehnte Kapitel ist überschrieben „Vor Jahren“ – also mal wieder ein Rückblick, wie üblich bei den Fortsetzungsromanen. Hier lernen wir Zarba als junges Mädchen kennen, die dem jungen Herzog von Raumburg verfällt und ihren Verlobten, den vorgeblichen Zigeuner Katombo fallen lässt. Nach dem Willen ihrer Mutter sollte sie eigentlich bei der Verführung des Herzogs selbst ungerührt bleiben, denn diese hatte einen Racheplan gegen das Haus Raumburg. Doch Zarba verliebte sich ernstlich in den attraktiven Mann; Katombo wurde gefangen gesetzt, konnte sich befreien und entfloh mithilfe des Schmieds Brandauer. Als nächstes begegnen wir ihm in Ägypten wieder, wo er sich als Angestellter eines großen Kaufherrn Ansehen und Zuneigung erworben hat. Auch eine neue Liebe hat er gefunden. In den folgenden Jahren steigt und fällt und steigt seine Karriere in extremem Maße. Als Kapudan-Pascha soll er nun das Königreich Süderland gegen Norland unterstützen.

Am Ende fällt der Krieg aus. Und Zarba hat einige Überraschungen in petto: Sie hat vor mehr als 20 Jahren neugeborene Kinder untereinander vertauscht, so dass nun Max Brandauer königlicher Prinz ist und Asta, seine große Liebe, heiraten kann. Katombo war schon von Zarbas Mutter entführt worden – er ist der ältere Bruder des Herzogs von Raumburg und kann nach dessen schmählichen Tod die Herzogswürde übernehmen.

Nebenhandlungen? Reichlich!

Allerdings sind diese eng mit der Hauptgeschichte verwoben. Der Verschwörung der Jesuiten und des Herzogs von Raumburg setzt sich in Süderland eine bürgerliche Bewegung entgegen, die den Krieg verhindern und eine Konstitution erlangen will. Urheber ist der vom „tollen Prinzen“ wegen eines Liebeshändels an Körper und Seele schwer verletzte Schriftsteller Karl Goldschmidt. Diese Bewegung kooperiert mit den Verbündeten Max‘.

Dann haben wir  – als komische Figuren, die bei May ja gern im Dreierpack auftreten – die Gesellen der Hofschmiede, jeder mit einer eigenen Macke, die sich alle um dieselbe Frau bewerben

Der Bruder Zarbas hat als zwangsweise zur See Geschickter den Bruder des Obergesellen in der Schmiede zum Freund gewonnen – sie tauchen auf, um hier und da eine helfende Hand zu leihen und Anspielungen für den Folgeband zu machen: eine geheimnisvolle Insel mit Schätzen, eine verloren gegangene Liebe.

So sah die Titelseite der Zeitschrift aus - 5. Jahrgang, wir sind mitten in "Die Juweleninsel"
So sah die Titelseite der Zeitschrift aus – 5. Jahrgang, wir sind mitten in „Die Juweleninsel“

Deshalb auf zur „Juweleninsel“. Dieses Mal beginnt die Handlung in Süderland, in einem Seebad, in dem wir die Familie des Generals Helbig kennenlernen: Ihn, seinen Diener Kunz, die drei unverheirateten Schwestern – zusammen mit Kunz überzogen komische Figuren -, seiner kleinen Tochter Magda, den Schifferjungen Kurt Schubert und den „tollen Prinzen“, der ihnen einen Streich spielen will, bei dem 14-järhigen Jungen aber auf Granit beißt. Am Ende zieht Kurt mit seiner Mutter zu General Helbig, an Kindes Statt angenommen und bereitet sich auf eine Laufbahn als Offizier vor. Den beiden Kindern – Kurt und Magda – begegnet Zarba, die Kurt als Sohn des Steuermanns Schubert identifiziert, der mit ihrem Bruder befreundet ist. Der tolle Prinz bekommt eine Strafe aufgebrummt, der brutale Stiefvater Kurts muss ins Gefängnis  und Kurt erfährt, dass er einen Vater hat, auf den ein Junge stolz sein kann.

Der „tolle Prinz“ ist schon ein ganz übler Kunde – er betreibt gewohnheitsmäßig Mädchenraub und zwar in seiner Burg Himmelstein, die mit zwei Klöstern – einmal Nonnen, einmal Mönche – oberhalb der Höllenschlucht thront. Das aktuelle Mädchen weigert sich standhaft, ihm nachzugeben. Es ist Toska von Mylungen. Der Neffe des Vogts von Himmelstein sieht Kurt zum Verwechseln ähnlich, ist aber ein Hallodri wie sein Onkel. Im Gefängnis gerät Kurts Stiefvater in ihm unverständliche Vorgänge, an deren Ende die im vorherigen Buch mühsam gefangenen Männer in Freiheit kommen. Dummerweise machen sie gerade dann Station auf dem Gut von General Helbig, als Kurt seinen Onkel, den ehemaligen Obergesellen des Hofschmieds zu Gast hat. Der erkennt die Halunken, Kurt setzt sie gefangen – der angehende Held ist klar.

Thugs and poisoners
Thugs oder Phansigars wurden von den britischen Behörden verfolgt – hier eine Gruppe gefangener Thugs
Dann macht die Handlung einen gewaltigen Satz – nach Indien, viele Jahre vor der bisherigen Handlung. Keine der dort agierenden Figuren ist uns zuvor begegnet. Wir erleben eine Geschichte von Freundschaft und Loyalität, der Verrat, Mord und Krieg entgegenstehen. Besonders faszinierend sind die Thugs oder Phansegars, die eine wichtige Rolle übernehmen. Am Ende der Geschichte ist klar, dass die zwei Hauptpersonen dieses Handlungsstrangs –  ein französischer Offizier und eine indische Prinzessin, die Begum – mit einem unermesslichen Schatz auf einer unbewohnten, unbekannten Insel stranden. Klingelt da was? Ja, der Bruder Zarbas hatte doch von einer solchen Insel gesprochen. Sie gibt dem Roman den Titel. Und sie kommt nicht weiter vor, denn das Kapitel, in dem nun der Schatz gehoben wird, fehlt … Dazu gleich mehr.

Die Zeit geht ins Land, aus Kindern werden junge Erwachsene. Kurt ist junger Offizier geworden und mit einem jungen Mylungen befreundet, der ihm erzählt, dass vor Jahren seine Schwester Toska verschwand, ebenso ein älterer Bruder. Der dritte der Brüder ist ausgewandert. Auf einer Wanderung erfährt Kurt von einem anderen geheimnisvoll verschwundenen Mädchen in der Nähe von Himmelstein – die Verlobte seines ehemaligen Lehrers. „Zufällig“ entdeckt er sie und kann sie befreien.

Jetzt geht’s über den großen Teich – in Amerika ist der Westmann Fred auf der Suche nach einem Mann; wir haben es mit Friedrich von Mylungen zu tun. Er sucht den ehemaligen Diener des verschwundenen Bruders. Letze Adresse: Amerika. Dabei trifft er auf den „Bowie-Pater“ , einem geheimnisvollen bartlosen Mann, der die Verhältnisse rund um den tollen Prinzen erstaunlich gut kennt und Fred unterstützt. Es handelt sich, wie Ricarroh, der Apachenhäuptling (Vorläufer von Winnetou), feststellt, um eine Frau. Ihretwegen geriet der Bruder Freds dem tollen Prinzen ins Gehege, bis hin zu einem Duell, wie es hieß. Nach dem Tod des Dieners, von dem sie vorher alle Informationen erlangen konnten, die er hatte, gehen Fred, der Bowie-Pater und Freds Freund Bill in Freds Heimat.

Inzwischen ist Kurt ein erfahrener Seeoffizier und will das Anwesen General Helbigs besuchen. Er ist ja nach einer Prophezeiung Zarbas vor vielen Jahren mit Magda, der Tochter, so gut wie verlobt 😉 Dort wurde inzwischen von einem Nachbarn der tolle Prinz eingeführt, der sich prompt Magda gegenüber zudringlich verhält. Aus Rache für die Abfuhr, die er von Vater und Tochter erfährt, lässt er von Kurts Stiefvater, der inzwischen aus dem Gefängnis entlassen wurde, das Schloss anzünden und entführt in dem Chaos das junge Mädchen. Nun machen sich alle an die Verfolgung – Kurt, der junge Mylungen, Fred, Miss Ella (ehemals Bowie-Pater) und Bill. Auch Zarba, inzwischen sehr alt und schwach, hilft noch mal mit – sie wird vom tollen Prinzen erschossen. Aber sie kann vorher noch geheime Wege schildern, um ins Schloss zu kommen. Die Frauen – Magda und Toska – und der verschwundene Bruder Mylungens werden befreit, der Prinz entkommt.

Als das neu erbaute Schloss von General Helbig nach zwei Jahren wieder aufgebaut ist, kommt alles zu einem guten Ende – und da hat dann auch König Max, ehemals Brandauer, seinen Auftritt.

Sind Sie jetzt erschöpft? Kann ich gut verstehen. Und dabei habe ich noch nicht einmal die Hälfte aller Verwicklungen geschildert.

Ausgaben

Brooches and gems
Mit einigen der Steine und Schmuckstücke aus dem Schatz der Begum war der Bruder Zarbas lange unterwegs, bis er dann – laut der Version des Karl-May-Verlags nur einen Teil – den Schatz heben konnte, um z. B. den Aufbau von Schloss Helbigsdorf zu finanzieren
Die beiden Romane sind zu Lebzeiten Mays nur das eine Mal in der Zeitschrift erschienen. Als Buch erschienen beide – als Beispiel „Die Juwelenisel“ – erst 1963.

Wie bei den Bearbeitungen des Karl-May-Verlags üblich, wurden beide Romane in eine chronologische Ordnung gebracht, so dass „Zepter und Hammer“ (!) mit der Geschichte Katombos und Zarbas als junges Paar beginnt, nur dass Zarba hier nicht Zarba heißt. Da es bereits eine Zarba in den Romanen um das „Waldröschen“ gab, musste der Name geändert werden … Aber auch an anderen Figuren wurde gearbeitet: Es handelt sich nicht um ein Königreich Norland, sondern um ein Herzogtum – der verbrecherische Vetter wird darin zum Grafen degradiert. Und dann gibt es einen zweiten Bösewicht, der in „Die Juweleninsel“ eine entscheidende Rolle spielt. Und dann das fehlende Kapitel. Um die Lücke zu füllen, wurde die Geschichte aus Indien einfach weiter ausgesponnen und auch die Entdeckung der Juweleninsel und die Bergung des Schatzes ist wirklich spannend geraten. Als ich 1987 die historisch-kritische Ausgabe erhielt, war ich völlig entgeistert und habe diesen Teil schmerzlich vermisst. Das unsittliche Treiben des tollen Prinzen wurde rausgeschmissen, der Bowie-Pater erhielt ein neues Heim als Einzelerzählung in „Winnetou und der Schwarze Hirsch“ aus dem Bertelsmannverlag und in Band 84 der Gesammelten Werke im Karl-May-Verlag – hier sogar als Titelerzählung. Ansonsten gibt es beide Bände unter ihrem eigenen Titel im Karl-May-Verlag, die Bände 45 und 46. Auch online können Sie diese Bücher lesen: Reprint von „Scepter und Hammer“ und „Die Juweleninsel“ bei der Karl-May-Gesellschaft und im Projekt Gutenberg: „Scepter und Hammer“; „Die Juweleninsel“.

Persönlicher Eindruck

Beide Bände bieten Abenteuer und Humor in bewährter Manier. Was mich fasziniert, ist die ausgesprochen negative Schilderung katholischer Einrichtungen: Die Jesuiten in „Scepter und Hammer“ sind Strippenzieher mit Machtanspruch und Hinterlist. Die Bewohnerinnen und Bewohner der beiden Klöster nahe der Burg Himmelstein kann man nur als unmoralisch und verbrecherisch bezeichnen. Möglicherweise haben wir es hier mit einer Spätfolge des Kulturkampfes zu tun; eine ähnliche Konstellation habe ich auch bei E. Marlitt „Die zweite Frau“ gefunden – der lüsterne Priester …

Die Juweleninsel“ finden Sie auch  in der Stadtbibliothek Köln

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

2 Comments

  • Maike

    6. Dezember 2016 at 13:23 Antworten

    Spannend! Auch dieser Nachtrag zur Karl-May-Serie hat mir wieder großen Spaß gemacht. Die beiden Bücher kannte ich noch nicht, aber es klingt ja, als ob es auch darin wieder herrlich verwickelt zur Sache geht.

    • Heike Baller

      7. Dezember 2016 at 13:29 Antworten

      Freut mich, Maike, freut mich sehr! Nächste Woche fängt ’ne neue Reihe zu Karl May an – ich bin gerade mal so drin 😉

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