Inhalt des Beitrags
Wer Romane von Jane Austen kennt oder solche, die in ihrer Zeit spielen, erwartet bei „Miss Bennet“ etwas über Jane Bennet, der ältesten der fünf Schwestern – doch Janice Hadlow hat Mary im Blick.
Ja, Mary Bennet ist hier die Hauptfigur. Der Roman spielt zwar teils in der Zeit, als Jane und Elizabeth noch unverheiratet sind, doch der größte Teil umfasst die Zeit nach den Hochzeiten. Und Mary ist als dritte von fünf nun die älteste unverheiratete Tochter Bennet. (Ich nutze im weiteren Verlauf „P&P“ als gängige Abkürzung für „Pride and Prejudice“/“Stolz und Vorurteil“)
Und die Katastrophe ist eingetreten: Mr. Bennet ist gestorben!
Was erzählt Janice Hadlow?
Die Geschichte von Mary Bennet, wie sie sie sieht und sich ausdenkt. Unabhängig von Austens eigener Aussage, Mary würde einen Angestellten ihres Onkels Philipps heiraten. Janice Hadlow hat Besseres mit ihr vor 😊
Die Zeit vor P&P
Mary steht vom 2. Kapitel an im Vordergrund – schon als Kind wird ihr irgendwann klar, dass sie weder so schön wie Jane noch so lebhaft wie Lizzy sein wird. Und die jüngeren Schwestern überstrahlen sie in beiden Kategorien auch noch.
Ihre Rettung sieht sie, kurz vor Einsetzen der Handlung von P&P in ihrer Bildung. Da ist zum einen das Klavier – sie übt viel und macht Fortschritte. Und: Sie fängt an, Bücher aus Vaters Bibliothek zu lesen – völlig selbständig. Und findet in Fordyces Predigten – ja, genau, die* – das, was sie sucht: Anleitung.
— * Mr. Collins weigert sich bei seinem ersten Besuch, aus einem Roman vorzulesen und bevorzugt diese Predigten – Benimmbücher für junge Frauen – mit mäßigem Erfolg … —
Doch ach, ihre Augen machen nicht mit. Sie braucht eine Brille. Zank und Vorwürfe der Mutter lassen sie nicht davon abrücken. Der Optiker Sparrow von Meryton kommt mit seinem Sohn John – sie passen Mary Augengläser an.
Bei ihrem ersten Ball im Meryton sitzt Mary unbeachtet herum, bis besagter Optikerssohn sie zum Tanz auffordert. Beide verstehen sich prächtig.
Doch Charlotte Lucas, die das Leben als unscheinbare alte Jungfer kennt, warnt Mary davor, sich zu eng mit einem unpassenden jungen Mann anzufreunden. Zu Recht – Mrs. Bennet tobt.

Das ist der Vorspann zum bekannten Ablauf von P&P – das folgende Geschehen kennen Sie als Leser*innen von Austen. Hier gibt es einen anderen Blick darauf. Auch auf die peinlichen Momente der Mary Bennet …
Mary hätte Mr. Collins gern geheiratet – sie sah Seelenverwandtschaft, nicht nur in Sachen Fordyces Predigten. Doch er beachtete sie kein bissen. Statt dessen freite er um Charlotte Lucas, die sich ebenfalls sehr um den ansonsten unbeliebten jungen Man gekümmert hatte.
Die Zeit nach P&P
Nach Mr. Bennets Tod sind Mrs. Bennet und Mary als einzige übrig – Kitty hatte inzwischen auch geheiratet.
Mrs. Bennet und Mary? Das kann ja nicht gut gehen.
Peu à peu gewinnt Mary an Selbständigkeit – aus der Not heraus, dass sie sich nirgends willkommen fühlt; bei der Mutter ja eh nicht, aber auch nicht bei Lizzy oder Jane. Sie besucht das Ehepaar Collins in Longbourn und freundet sich mit einem sehr unglücklichen Mr. Collins an. So sehr, dass Charlotte sie los werden will. Die nächste Station ist London – Onkel und Tante Gardiner freuen sich über ihren Besuch. Und Mary schwimmt sich immer weiter frei, macht neue Bekanntschaften – und verliebt sich.
Außerdem findet sie Gefallen an Lyrik (sehr sympathisch 😉) – mit Hilfe eines jungen Mannes, der im Haus ihrer Verwandten ein gern gesehen Gast ist.
Caroline Bingley, die ihr schon das Leben bei Jane verbitterte, taucht nun ebenfalls wieder auf. Liebeswirren allerorten. Und gewagte Thesen zu „anständigem“ Verhalten von einem sehr charmanten jungen Mann.
Mehr verrate ich nicht.
Wie erzählt Janice Hadlow?
Anschaulich und immer wieder mit Sätzen garniert, die – aber lesen Sie selbst den ersten Satz:
Es ist eine traurige Tatsache, dass eine junge Frau, die unglücklicherweise ohne die geringsten Aussichten auf die Welt kommt, gut daran tut, wenigstens als Schönheit geboren zu werden.
S. 8
So was findet sich immer mal wieder – sehr nett.
Janice Hadlow schafft es mit ihrer Erzählsicht – sehr viel im Inneren von Mary, aber nicht nur -, die Veränderungen in den Charakteren sehr gut nachvollziehbar zu gestalten. Wobei sie die wesentlich freundlichere Darstellung von Mr. Collins denn doch ein bisschen länger begründen muss 😉
Eine ansprechende Variation zu P&P und eine ebensolche Fortsetzung.
Janice Hadlow: Miss Bennet, übersetzt von Britta Evert und Claudia Franz, Goldmann Verlag, München, 2023, ISBN: 9783641298029
Noch so ein Beitrag zu meiner Reihe #belovedJane
Die Kölner Stadtbibliothek hat das Buch auch.
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