Die Sprachzauberin Ruth Frobeen hat mit „Irmelin Fuchs“ ein wunderbares Buch vorgelegt – mal wieder 😊. Noch dazu eins, in dem es um Sprache geht.
Wer ist Irmelin Fuchs.
Eine Neunzehnjährige erwacht nach einem Koma 1939 in einem Altenheim in New York und hat ihr Gedächtnis verloren. Sie weiß sich auszudrücken, spürt Wörtern nach. Das mit dem Nachspüren sieht dann so aus, dass sie zum Beispiel sagt – sie ist die Ich-Erzählerin des Buches:
„Überhaupt ist Patata ein komischer Typ, im Sinne von lustig.“
S. 11
Unmittelbar vorher kommt das Wort „komisch“ als Begriff für „seltsam“ vor. Sie merkt, dass sie viel weiß – nur eben ihre Vergangenheit kennt sie nicht. Sie lebt sich im Altenheim ein, arbeitet ein bisschen und ist besonders nachts viel in der großen Stadt unterwegs. Mit besagtem Patata als Begleitschutz.

Dann bekommt sie die Möglichkeit, das Altenheim zu verlassen. Mrs. Rotham, eine blinde alte Frau mit großem Haus engagiert sie als Vorleserin. Damit Irma Sabrina Fuchs, so der vollständige Name, den sie beim Aufwachen erhalten hat, auch woanders Geld verdienen kann, regt die alte Frau einen Schreibmaschinenkurs an. Doch dann braucht sie – Mrs. Rotham – diese Kenntnisse selber. Sie schenkt Irmelin eine Schreibmaschine und beginnt, ihr eine Geschichte zu diktieren.
Und was dabei herauskommt, ist Zauber der Sprache und auch ein bisschen beunruhigend …
Wie erzählt Ruth Frobeen?
Sie macht nicht nur graphisch einen Unterschied zwischen den beiden Erzählstimmen – die Geschichte von Mrs. Rotham ist in einer anderen Schrift gedruckt -, sondern auch sprachlich. Die Erzählung, die sie Irmelin diktiert, ist schnörkellos schön. Keine Extravaganzen.
Irmelin dagegen erkundet mit der Sprache die Welt, holt mich ganz dicht an ihr Ich heran, wie sie Natur und Stadt und die Begegnungen mit Menschen erlebt. Ihre Gedanken zu Liebe und Sex sind eher unromantisch. Ihre Naturerfahrungen sind ungeheuer dicht und intensiv. Es gibt gegen Ende eine Szene, in der sie die Nacht auf einem Friedhof verbringt.
Um mich herum wuseln Käfer, ein Tausendfüßler spaziert an mir vorbei. Ganze Asselfamilien rollen herum und trollen sich. Ich meine, sogar die Regenwürmer zu hören, die mit ihren Borsten über den Boden kratzen. Der Friedhof ist wohl der lebendigste Ort der ganzen Stadt.
S. 120
Ein Beispiel für Irmelins Ausdrucksweise habe ich noch: Mrs. Rotham erklärt Irmelin, dass alles, wirklich alles Chemie sei – auch Gefühle. Irmelins Gedanke dazu:
Und das ist doch ein Ding von wissenschaftlicher Wunderlichkeit und bedeutet, dass es also auch eine chemische Formel für Liebe gibt. Sicher ist es eine Gleichung wie in der Mathematik, aber davon verstehe ich nichts, außer dass zwei ein Paar sind Und in der Gleichung passen Patata und ich nicht zusammen, so muss es sein.
S. 67
Dringende Leseempfehlung. Die Autorin vertreibt ihr Buch selbst. (Der Link gilt jetzt als Werbung, auch wenn kein Cent fließt …)
Ruth Frobeen: Irmelin Fuchs, Hamburg, Selbstverlag, 2022, ISBN: 9783981940060
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