Der vollständige Titel lautet: „Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge“ (das englische Original „The Keeper of Lost Things“). Mit Anthony Peardews hat Ruth Hogan eine skurrile, liebenswerte Figur erschaffen. Mr. Peardrew sammelt alles, was andere verloren haben. Warum? Er selbst hat im Mai 1974 – das kann ich als Leserin erschließen – das Liebste verloren, was es für ihn gab: Seine Verlobte Therese starb auf dem Weg zur Hochzeit. Und er verlor am selben Tag das Andenken schlechthin an sie, ein Medaillon, das immer bei sich zu tragen er ihr versprochen hatte.
Das Buch hat einen irritierenden Beginn:
Da reist eine Person in einer Keksdose. Huch?
Es ist Anthony, der die Dose findet, mitnimmt und sorgfältig beschriftet seiner Sammlung einverleibt: Die Beschriftung gibt dann Auskunft: Einäscherung …
Anthonys Assistentin Laura lerne ich als nächstes kennen – sie hat sich vor Jahren aus Verzweiflung nach ihrer gescheiterten Ehe auf die Stelle beworben und es nie bereut. Zwar weiß sie nicht, was ihr Arbeitgeber in seinem Arbeitszimmer hat, aber die stilvolle und ruhige Atmosphäre seines Hauses hat es ihr angetan. Sie schreibt die Geschichten Anthonys ab, erledigt sonstigen Schriftkram und freut sich, einen so angenehmen Arbeitsplatz gefunden zu haben.
Die nächste Szene katapultiert mich ins Jahr 1974 – anderes Personal, auch wenn die Situation vergleichbar scheint: Eine junge Frau bewirbt sich als Assistentin eines Verlegers. Auf dem Weg fallen ihr zwei Dinge auf: Ein Menschenauflauf vor der Bäckerei gegenüber der Adresse, wo sie hin muss und vorher ein wartender, nervöser Mann. Auch in diesem Strang entwickelt sich zwischen Arbeitgeber und Anagestellter ein guter Kontakt – sie werden Freunde, schauen Filme, Eunice, so heißt die junge Frau wird in „Bombers“ Familie aufgenommen. Na ja, fast – seine Schwester Portia, eine reiche Frau, die sich als Autorin versucht, lehnt Eunice ab.
Während es sich bei Anthony, Laura, Freddy und Sunshine nur um wenige Jahre handelt, begleite ich Bomber, Eunice und die Hunde über viele Jahre, bis sich die Handlungsstränge im Hier und Heute begegnen. Ruth Hogan hat viel Magie eingewoben – zum Glück auch viel Wortmagie.
Anthony war gegangen und hatte eine Leiche zurückgelassen. (S. 66)
oder etwas drastischer
Das Pochen in ihrem Kopf wurde bald von einem lauten Klopfen an der Fenstertür erwidert. (S. 135)
Ruth Hogan hat eine anrührende Geschichte geschrieben. Sie hat einen gut lesbaren Stil mit überraschenden Formulierungen, die stutzen lassen oder einfach Spaß machen, ihre Figuren sind lebendig – gute Unterhaltung garantiert. Schön auch die Szene, wo Laura den beiden Klatschbasen, die sich über ihr mögliches Verhältnis zu Anthony ausließen, das Wort „Fellatio“ an den Kopf wirft und die eine behauptet, das schon mal in Italien gegessen zu haben.
Ruht Hogan: Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge, übersetzt von Marion Balkenhol, List Verlag, Berlin, 2017, ISBN: 9783471351475
Ich habe das Buch über vorablesen.de gewonnen und dort auch eine Rezension geschrieben.
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