Dorothy und der Parfümeur von Ruth Frobeen

Dorothy und der Parfümeur von Ruth Frobeen

Ruth Frobeen hat einen neuen Roman geschrieben – Hurra! Er kam mittags, abends hatte ich ihn durch. Und war beglückt.

Ach, Sie wollen Genaueres wissen? Aaaalso:

Was erzählt Ruth Frobeen?

Die beiden Hauptpersonen sind im Titel genannt – zwei auf unterschiedliche Art eigenwillige Charaktere. Dorothy hangelt sich von Job zu Job, klaut und näht, näht, näht. Sie hat ihre winzige Wohnung mit Kleidung vollgestopft – selbst genäht oder selbst geklaut. Sie zieht sich je nach Stimmung seriös oder flatterig, bunt oder schlicht oder sonstwie an. Aber stimmen muss es, ein Gesamtbild ergeben. So drückt sie sich aus.

Getauft ist sie auf Tilda Dorothea – Dorothea nach ihrer Tante, die Haute Couture gelernt hat und Paris für ihre Nichte sausen ließ. Sie traute ihrem Bruder und seiner Frau nicht zu, die kleine Nichte vernünftig zu erziehen. Also arbeitete sie als Änderungsschneiderin in Hamburg und die kleine Nichte verbrachte erst Stunden unter der Nähmaschine, später an der Nähmaschine. Die Tante liebte sie, förderte sie und hinterließ ihr nach dem Tod ihr Geld. Als ich Dorothy kennenlerne, ist das weg – verbraucht.

Der Parfümeur aus dem Titel begegnet Dorothy das erste Mal, als sie als Briefträgerin bei ihm am Alsterufer klingelt, um Post abzuliefern. Doch entscheidend wird eine andere Begegnung – und dabei spielt die „absolute“ Nase von Johann Kawakami (ja, so heißt er und ist ein echter Japaner!) die entscheidende Rolle: Dorothys Duft inspiriert ihn. So wie ihn der Duft der Bobonverkäuferin nicht nur inspiriert, sondern geradezu umgehauen hat.

Auch seine Geschichte, wie er wurde, was er ist und wie er lernte, sich – zumindest teilweise – neu zu erfinden, ist wunderschön, wenn auch manchmal etwas traurig. Die Teile, die in Kyoto spielen, haben ihren eigenen Reiz und Ton.

Als Leserin weiß ich immer mehr als die Menschen im Buch – da hat Ruth Frobeen sehr geschickt ein paar Hinweise platziert, damit ich die Verbindungen zwischen ihnen früher kapiere als Dorothy, der Parfümeur und noch einige andere Figuren aus dem Buch.

Brokatstoff in Blau und Gelb, wie ihn Dorothy im Roman von Ruth Frobeen mag.
Dorothy liebt edle Stoffe, wie solchen Brokat.

Hinzu kommen einige Wissenshappen rund ums Riechen, um Duftpflanzen, die japanische Gesellschaft, Mode und um Geigenbau. Es gibt eine wunderbare Szene, in der Dorothy ihre Fähigkeiten in Sachen Mode und Klauen zusammenschmeißt, um jemandem uneigennützig zu helfen. Und ja, sie findet am Ende des Buches einen Weg – zu sich. Und nein, es gibt für niemanden im Buch ein einfaches Happy Ending, sondern Perspektiven.

Wie erzählt Ruth Frobeen?

Zauberhaft.

Ruth Frobeen hat einen große Gabe, mich in die Gefühle einzubeziehen. Ihre Ausdruckspalette ist groß und bunt.

Als Kind in Japan hatte er Ellenbogen immer für etwas Gutes gehalten. Man hakte sich beim Tanzen ein und drehte sich wild im Kreis, oder man hakte sich bei jemandem ein, um gemeinsam in eine Richtung zu gehen. In Deutschland waren Ellenbogen negativ besetzt. Hatte man welche, konnte man sich gut durchsetzen und das war in Deutschland erstrebenswert.

S. 108

Am nächsten Morgen stand Dorothy am Badezimmerfenster und sah zu, wie der Himmel den Tag begrüßte.

S. 24

Die Souveränität war aus ihrem Körper gewichen, wie ein leiser Furz (…)

S. 157

Schon das Debut von Ruth Frobeen hat mich sehr froh gemacht – der zweite Roman von ihr gefällt mir fast noch besser. Das kann an den Themen liegen – Mode und Parfüm, Hamburg und Japan sind mir alle etwas näher als Island …

Ruht Frobeen: Dorothy und der Parfümeur, Selbstverlag, Hamburg, 2019, ISBN: 9783981940022

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

2 Comments

  • […] Bücher auch, in Eigenregie entstanden. Ich liebe die Unabhängigkeit. Und ich liebe, dass die Kölner Leselust die erste Rezension geschrieben hat. Die erste Rezension ist nämlich immer besonders, weil sie mich aus der […]

  • AdPoint GmbH

    18. Juli 2019 at 14:25 Antworten

    Hallo,

    vielen Dank für diesen Beitrag. Er hat mich wirklich neugierig auf das Buch gemacht, was ab sofort auf meiner Leseliste steht. Leider finde ich, dass einem der Alltag mit seinen ganzen Buchstaben und Informationen die Lust auf das Lesen ganz schön vermiesen kann. Aber ich kämpfe dagegen an und ich denke, dass mir da das Buch sehr weiterhelfen kann.

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