Ein idyllisches Buch scheint es zu sein, was Melissa Harrison da verfasst hat. Doch als ich die ersten Seiten nach Abschluss meiner Lektüre erneut las – ja, da zeigte die Idylle schon ihre Risse.
Was erzählt Melissa Harrison?
Erst einmal die Geschichte eines Mädchens in der Pubertät. Die 13-jährige Edith June Mather, genannt Edie, erzählt selbst davon, wie das Leben 1933 auf dem Land aussah.
Wie gearbeitet wurde (hart…).
Wie das Wetter das Leben beeinflusste (Dürre – mit katastrophalen Auswirkungen).
Wie so ein Familienleben aussah (auch die Kinder mussten mit ran bei der Arbeit)
Mitten hinein kommt eine Frau mit Hosen und einem roten Fahrrad. Aus der Stadt. Aus London! Sie will über das Landleben schreiben, will alles wissen. Ihr schließt sich Edie an. Denn Edie ist anders. Sie liest. Sie träumt. Sie fühlt sich von dieser Frau verstanden.
Doch Constanze FitzAllen macht mehr als zuhören. Sie redet. Sie spricht über alte Bräuche, die zu erhalten seien. Teils erwähnt sie alte Bräuche, von denen die Bauern und Bäuerinnen rund um Edie noch nie gehört haben. Sie spricht über den Wert des Landlebens.
Es ist 1933. Es ist Dürre. Den Landleuten geht es nicht gut. Höfe stehen verlassen. Landflucht.
Constanze FitzAllen hat eine Mission. Das wird klarer und klarer. Und diese Mission ist politisch.
Politik kann Menschen entzweien – das tut sie auch in diesem Fall.
Mittendrin Edie, die das alles nicht wirklich versteht. Sie liebt die Natur. Sie liebt Tiere. Sie befolgt magische Rituale, um sich zu schützen, glaubt an eigene magische Kräfte. Ein einsames Mädchen. Schon am Anfang schildert sie sich selber als „anders“. Das zieht sich durch. Bis zum bitteren Schluss.
Im Nachwort schildert Melissa Harrison die im Roman vorgestellte politische Idee. Und was es mit dem Epilog auf sich hat, in dem Edie als 70-Jährige noch mal zu Wort kommt.
Wie ist die Geschichte erzählt?
Besonders die Naturschilderungen sind sehr eindringlich und „dicht dran“ – die Jahreszeiten, die Details wie zum Beispiel im Prolog „ … und an den Rändern der Felder wuchs blasiges, undurchsichtiges Eis“ (S. 7)
Die Beobachtungen von Edie sind konkret – sie spricht nicht einfach von Vogelgezwitscher, sondern nennt die Namen der Vögel.
Edies Sicht bestimmt, wie die Personen wahrgenommen werden – und Melissa Harrison schafft es, über das Verstehen dieses Mädchens hinaus Informationen zu vermitteln. Wirklich gekonnt!
Melissa Harrison: Vom Ende eines Sommers, übersetzt von Werner-Löcher-Lawrence, DuMont Verlag, Köln, 2021, ISBN: 9783832181529
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