Die Zugvögel von Erika Mann

Die Zugvögel von Erika Mann

Der Fund vom ersten Band dieser kleinen Kinderbuchreihe von Erika Mann in Dellbrück war Anlass, das Buch selbst noch mal zu lesen.

Wie in der Verlagsankündigung im Schneiderbuch zu lesen, besteht die Reihe aus vier Teilen. Sie schildern, wie Till Petersen ein Zugvogel wird, wie das Leben in diesem Knabenchor abläuft und – in den beiden letzten Teilen – die Europafahrt des Chores. Und hier kommt dann eben die Sache mit der Horizonterweiterung ins Spiel: Es werden Städte und ihre Sehenswürdigkeiten geschildert, klar. Aber auch Begegnungen mit Menschen in England, Holland, Schweden oder Italien. In dem Zusammenhang ist besonders die Szene in Holland sehr nett, in der einige Zugvögel ein paar holländischen Kindern helfen, dem Polizisten zu entkommen.

Das Muster ist so, wie wir alle es aus den unterschiedlichen Internat-Büchern kennen: Spitznamen für Lehrer, eine gewisse Konkurrenz zwischen den jüngeren und älteren Schülern, Verstöße gegen Regeln mitsamt Konsequenzen (oder auch nicht), die Schwierigkeit, als neues Mitglied hinzuzustoßen und die Frage nach Solidarität in der Gruppe, Fairness und die Entwicklung einzelner Freundschaften. Auch hier haben wir eine Peer-Group, aus deren Sicht das meiste erzählt wird: Till und seine Freunde.

Erika Mann bleibt mit diesem Werk sicher hinter ihren schriftstellerischen Möglichkeiten – da hat sie ganz anderes gewuppt, auch bei der Kinderliteratur. Aber hier war ihr die Botschaft so wichtig und auch, dass sie möglichst viele erreicht, dass sie zu Mitteln griff, die uns heute als umständlich oder unangemessen erscheinen. Da es in ihrem Buch neben der Vermittlung von Verständnis für die europäischen Nachbarländer auch um Musik geht, erläutert sie alle musikalischen Begriffe, mit denen das Buch reichlich versehen ist. Das kann nerven … Alledings macht sie es immer noch besser, als manche moderne Jugendschriftsteller, die immer und immer mit Klammern arbeiten. Das Verfahren hat mir schon als Zielgruppenmitglied die TKKG-Reihe gründlich vermiest.  Erika Mann nutzt ergänzende, erläuternde Nebensätze und auch machmal Klammern – auf jeden Fall versucht sie, gerade mit der Person von Ralfi, Tills „Stubenältestem“ (denken Sie da auch ans „Fliegende Klassenzimmer“ von Kästner?), deutlich zu machen, dass klassische oder geistliche Musik für Jungen zwischen 8 und 12 durchaus interessant sein kann. Till und sein bester Freund entleihen sogar, gegen die Regeln der Schule, einen Klavierauszug von „Carmen“ und verblüffen später mit einer Gesangseinlage aus der Oper – die sie nach der Aufführung fachmännisch analysieren.

Es ist sicher keine große Literatur, die Erika Mann hier vorlegt, aber es ist ein Zeitzeugnis (Zoll, Grenzen, Flugzeugtechnik!) und eine Internatsgeschichte mit vielen vertrauten Motiven. Ob es heutzutage, im Zeitalter von globaler Vernetzung, EU und Smartphone noch die eigentliche Zielgruppe erreicht, weiß ich nicht (mein Nachwuchs hat sich geweigert …- aber das passiert mütterlichen Leseempfehlungen ja häufiger). Aber grundsätzlich finde ich es eine nette Lektüre.

Erika Mann: Die Zugvögel, Alfred Scherz Verlag, Bern und Stuttgart 1959

Das Buch gibt es nur noch antiquarisch.

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

1 Comment

  • Birgit Ebbert

    17. Oktober 2013 at 11:55 Antworten

    Danke für die Erinnerung an das Buch, liebe Heike, der Titel war mir vor Jahren (ähem, Jahrzehnten) begegnet, aber damals hätte ich noch jedes Antiquariat abklappern müssen, um es zu finden. Liebe Grüße Birgit

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