Inhalt des Beitrags
Das Blog hier hat „Leselust“ im Namen, weshalb Sie in der Regel keine Verrisse lesen. „Matou“ von Michael Köhlmeier ist jetzt eher etwas ambivalent, denn so richtig begeistert bin ich nicht …
Was erzählt Michael Köhlmeier, pardon: Matou?
Michael Köhlmeier lässt Matou seine sieben Leben erzählen. Beginnend mit seinem ersten Herrn Camille Desmoulins, also von der französischen Revolution, bis heute, bis zu einem unentschiedenen, schwachen jungen Mann des 21. Jahrhunderts. Alles in Kapiteln: mein erstes, zweites, drittes und so weiter Leben. Aber nicht, dass Sie glauben, Matou hielte sich an diese Reihenfolge – ständig schweift er ab, gibt Einblicke in seine anderen Leben. Alles ist mit allem verknüpft. Nach dem eigenen Tod auf der Guillotine als Testobjekt, ob das Ding es nach einer Reparatur wieder tut, landet er auf Umwegen im Haushalt des Beamten und Dichters E. T. A. Hoffmann und raten Sie mal, für welches Werk als Inspiration er herhalten muss – gegen seinen erklärten Willen! “Murr” – ich bitte Sie …
Im dritten Leben baut er auf Hydra eine Ein-Kater-Despotie auf. Im vierten Leben darf er innerhalb der Gattungsgrenzen variieren und kommt als Leopard zur Welt, im Kongo, der vom belgischen König ausgebeutet wird. Sein fünftes Leben verbringt er in Prag und lernt einen Zirkustiger und den sprechenden Affen Rotpeter kennen. Als sechsten Herrn bekommt er Andy Warhol …
Und das siebte Leben findet dann mal ohne menschliche Prominenz statt – in Wien bei einer netten Tante und ihrem studierenden und etwas lebensuntüchtigen Neffen, der Autor werden will.
Was macht Matou besonders?
Er hat schon im ersten Leben, kurz vor der Hinrichtung seines Herrn Desmoulins die menschliche Sprache zu sprechen gelernt.
Wow!
Oder: Miau!
Von E. T. A. Hoffmann lässt er sich lesen und schreiben beibringen. Und nun liest er, wenn er menschliche Herren und Damen hat, was immer deren Häuser hergeben. Und lässt sich stapelweise Bücher besorgen.
Er liest sehr schnell und mit fotografischem Gedächtnis. Einmal gelesen, immer gemerkt. Und er will alles im Kontext bringen und verstehen. Ehrenwert, aber anstrengend.
Auch für mich als Leserin (ich habe ungelogen Monate für das Buch gebraucht.).
Worum geht es Michael Köhlmeier in dem Buch?
Das ist unklar. Und das ist schade. Michael Köhlmeier und mit ihm Matou ist ungeheuer belesen. Das spürt man auf jeder der rund 1000 Seiten.
Die beiden führen ihre Bildung spazieren. Matou will möglichst menschlich werden, verstehen, was Metaphern bedeuten. Gleichzeitig will er – also Michael Köhlmeier – uns das Kätzisch-Sein vermitteln.
Sorry – das geht so nicht. Oder nur kürzer.
Michael Köhlmeier verheddert sich. Es gibt keine klare Linie in dem Buch. Kein „ach so“ oder „aha“ am Ende. Immer so zwischendurch ein „Ach!?“ Oder „spannend“. Matou ist sehr von sich eingenommen. Gleich auf der ersten Seite kommt das heraus.
Ich beginne ein Unternehmen, welches beispiellos dasteht und bei dem ich keine Nachahmer finden werde. Ich will dir einen Krater in seiner ganzen Naturwahrheit zeigen, und dieser Kater werde ich selber sein. ich allein, Matou – das ist mein Name. Ich verstehe, in meinem Herzen zu lesen, und kenne die Tiere und ein wenig auch die Menschen. Meine Natur ist von der aller Katzen, denen ich je begegnet bin, verschieden; ich wage sogar zu glauben, nicht wie ein einziges von allen Wesen geschaffen zu sein. Bin ich auch nicht besser, so bin ich sicherlich anders – im Übrigen leicht zu erkennen, am kupferroten Fell und der weißen Schwanzspitze und den weißen Tupfen an meinen Pfoten.
S.9f
Wenn das nicht eingebildet klingt … Dieses Selbstbeweihräucherung kommt höufiger vor.
Und warum kein Verriss, beziehungsweise Schweigen?
Es gibt Passagen in dem Buch, die sind einfach zauberhaft. Ihretwegen habe ich das Buch nicht weggelegt – konnte ja noch was kommen.
Die Gedanken über Sprache und menschliches Denken sind zum Teil sehr interessant. Wie Matou, die Schiffsleute im auf dem Kopf liegenden und sie festhaltenden Wrack dazu bringt, um ihr Leben zu buddeln, ist grandios.
In gewisser Hinsicht arbeitet Matou von Michaael Köhlmeier mit „Leitthemen“ – der „munkelbraune Kater“, der Matou bei seinen ersten Toden im „Weggemachten“ empfängt, wird immer mit denselben Worten beschrieben. Biondettta, die Matou den nächsten Tod ankündigt, verliert sich zwar jedes Mal in anderen aber immer wieder in fast endlosen Reihungen Desselben – wenn Matou sie nicht unterbricht.
Auch wenn Michael Köhlmeier „nur“ ein Mensch ist, vermittelt Matou, an vielen Stellen durchaus glaubhaft, kätzische Vorlieben und Eigenarten. An anderen es ist eher ein Krampf …
Schon relativ am Anfang meiner Lektüre fiel mir diese 17 Silben ein:
Ein gebildeter Kater. schreibt Memoir‘n. Eingebildeter Kater.
Matou von Michale Köhlmeier kann echt nerven. Und dann wieder verzaubert er mich …
Wenn Sie das Buch auch gelesen haben: wie haben Sie es empfunden?
Michal Köhlmeier: Matou, Carl-Hanser-Verlag, München, 2021, ISBN: 9783446270794
Die Stadtbibliothek Köln hat den Titel als Buch, E-Book und Hörbuch im Bestand.
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