Als Jane-Austen-Fan habe ich mich hier ja schon mehrmals geoutet und auch mal einen „Nachfolgeband“ besprochen. Das Buch von Jo Baker ist eher ein Ergänzungsband zu meinem Lieblingsbuch „Pride and Prejudice“, also „Stolz und Vorurteil“ in allen deutschen Übersetzungen – ein Blick aus der unteren Etage auf das Geschehen und das mit eigener Dramatik.
Sarah arbeitet bei Familie Bennet, sie wäscht die Wäsche – das ist die erste Szene -, sie schleppt Wasser, sie putzt die Kamine und feuert sie an, sie füttert das Vieh. Mrs. Hill, die Haushälterin hat sie als siebenjährige Waise ins Haus geholt. Sarah hatte ihre Familie verloren – die Erinnerungen an glücklichere Tage wecken ihren Widerspruchsgeist, ihre Träume vom Glück. Außer ihr ist da noch das Hausmädchen Mary, das sich, da ja eine Tochter des Hauses ebenso heißt, gefallen lassen muss, Polly genannt zu werden; Polly ist noch ein Kind. Sarah und auch Mrs. Hill lassen ihr manche Pause durchgehen – die Atmosphäre im Haus Longbourn ist also eher freundlich.
Der neue Hausdiener, James Smith, der zur Entlastung von Mr. Hill eingestellt wird, bringt auch den beiden Hausmädchen Erleichterung, denn er nimmt ihnen die ganz schweren Arbeiten ab. Sarah möchte mehr über ihn erfahren, doch er ist ein verschlossener Typ.
Als Netherfield dann an Mr. Bingley vermietet ist, entsteht nicht nur ein reger Verkehr der Herrschaften untereinander, nein, auch im Dienstbotenbereich gibt es ein Hin und Her. Ptolemy Bingley, ein farbiger Hausdiener, illegitimer Sohn des Vaters von Mr. Bingley, bringt ein bisschen Unruhe in die geordneten Verhältnisse Longbourns, weitet aber auch Sarahs Blick für die Welt. So wie er London schildert, ist es ein verführerischer Ort.
Neben den bekannten Ereignissen aus „Stolz und Voruteil“ kommen neue Aspekte ins Bild:
- die Vorgeschichte von Mr. und Mrs. Bennet und Mrs. Hill, einschließlich einer Chrakterstudie Mr. Bennets
- die Eheschließung der Hills
- der Krieg gegen die Franzosen in Spanien aus Sicht eines einfachen Soldaten
- und natürlich der Alltag eines solchen Hauses aus Sicht derer, die für sein Funktionieren sorgen
Jo Baker erzählt aus unterschiedlichen Perspektiven – mal aus der von Mrs. Hill, mal aus der von James, meist aus der von Sarah. Dabei fängt sie Stimmungen ein und schildert Eindrücke, die mich teilweise sehr berührt haben. Besonders Sarah hat ihre Träume vom Glück, von Unabhängigkeit. Im starkem Kontrat dazu stehen Szenen wie diese:
Ihre Bedenken, ob sie damit (dem Öffnen der Haustür im Haus der Collins, H. B.) nun ihre Zuständigkeit überschritten hatte oder nicht, erwiesen sich als völlig überflüssig, denn in dem Moment, in dem die Tür offenstand, hörte Sarah auf zu existieren.“ (S. 263)
Jo Baker ist ein Roman gelungen, der seine eigene Geschichte erzählt und der neues Licht auf altbekannte Figuren Jane Austens wirft – durchaus glaubwürdiges Licht übrigens.
Jo Baker. im Haus Longbourn, übersetzt von Anne Rademacher, Knaus Verlag, München, 2014, ISBN: 9783813506167
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