Inhalt des Beitrags
Wieder nimmt sich Ewald Arenz die Zeitspanne von sechs Wochen, um exemplarisch zu zeigen, wie eine entscheidende Lebensphase aussehen kann – hier ist es der große Sommer. Bei „Alte Sorten“ waren wir schon später im Jahr.
Was erzählt Ewald Arenz?
Als Jugendliche erleben alle den Sommer, besonders die langen Ferien, als eine große Zeit: keine Schule, Leute treffen, abhängen, sporteln, verreisen – alles nach Lust und Laune. Wenn alles gut läuft.
Bei Frieder läuft es nicht gut. Das weiß er schon einige Zeit vor Ferienbeginn – um versetzt zu werden, muss er Nachprüfungen machen. Tolle Aussichten. Und dann: Er soll die Zeit, in der seine Eltern und Geschwister in Urlaub sind, bei den Großeltern leben und dort lernen. Die Großmutter, Nana, ist ja toll – aber der Großvater! Bis er zehn war, musste Frieder ihn siezen!
Und nein, der Roman spielt nicht im 19. Jahrhundert, sondern Anfang der 80er des 20.
Frieder lernt viel in dieser Zeit. – die Nachprüfungen besteht er übrigens, so viel sei gespoilert 😉.
Aber die eigentlichen Dinge, die der große Sommer für ihn bereit hält, sind die essentiellen Dinge des Lebens: Liebe, Tod und Freundschaft. Und das alles miteinander verquickt.
Dazu kommt sein Interesse an seiner Familiengeschichte – die ihn in Konflikt mit der geliebten Großmutter bringt.
Und dann ist da noch der Großvater – eine eigenwillige Persönlichkeit mit eisernen Lebensgewohnheiten. Jeden Morgen ein kaltes Bad. Pünktlich in allen Bereichen. Fordernd – und dann eben auch: fördernd. Auf seine Weise halt.
Ewald Arenz hat mit Frieder einen nachdenklichen Sechzehnjährigen in den Mittelpunkt eines vielschichtigen Beziehungsgeflechts gestellt, der daran wächst. Und die Menschen um ihn herum – seine unkonventionellen Eltern, seine Geschwister, die ich bis auf eine Schwelster nur am Rande miterlebe, sein Freund Johann, seine Freundin Beate, die Großeltern – sie alle sind auf so unterschiedliche Weise für seine Entwicklung wichtig, wie sie sich auch unterschiedlich entwickeln.
Es ist Coming-of-age-Roman, ja, und die mag ich, nachdem ich ein paar gelesen hatte, nicht so gern. Aber bei Ewald Arenz‘ „Der große Sommer“ fällt diese Zuschreibung nicht wirklich ins Gewicht.
Wie beschreibt Ewald Arenz den großen Sommer von Frieder?
Was ich an Ewald Arenz so mag, sind seine Beschreibungen. Gerade die von Natur. Damit geht es schon los:
Das Sri Sri der Mauersegler schnitt das Licht dieses Sommertages in hellgelbe, aufregend saure Zitronenscheiben und ich dachte, man müsst draußen sein und nicht hier drin neben dem Fenster sitzen.
S. 5
Wenn er den Duft der Robinie beschreibt, ist das einerseits sehr poetisch, andererseits entspricht es aber auch diesem speziellen heranwachsenden Jungen.
Auch Gefühle sind ihm nicht fremd:
Ich rettete mich in flache Witze, um nicht zu ertrinken.
S.133
Auf dem Klappentext steht was von „klug und stets beglückend“ – doch ja, dem kann ich mich anschließen!
Ewald Arenz: Der große Sommer, DuMont Buchverlag, Köln, 2021, ISBN: 9783832181536
Ach doch noch eine Kritik
Es gibt eine Rahmenhandlung aus der Jetztzeit, in der Frieder, der Ich-Erzähler, einen Friedhof besucht – welches Grab das ist, kann ich nur erahnen. Welchen Sinn die Rahmenhandlung hat, erschließt sich mir nicht. Sie gibt dem Roman an manchen Stellen etwas Bedeutungsschwangeres, das er eigentich nicht nötig hat. Diese Passagen könnten meiner Meinung nach einfach entfallen.
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