Klar, die meisten, die nach Arnstadt kommen, wollen was zum jungen Bach wissen, der dort mit 18 seine erste Anstellung bekam; ich hingegen wollte auf den Spuren der Marlitt wandeln. Nicht ganz leicht …
Marlitt-Stätten in Arnstadt
In der Touristeninformation bekam ich freundliche Auskunft: Das Geburtshaus der Marlitt steht am Markt; darin befindet sich ein Café mit ihrem Namen „Café Marlitt“, an der Fassade eine Plakette mit ihrem Namen und den Lebensdaten.
Dann gibt es noch das Haus, das sie erbauen ließ. Es ist heute ein privates Wohnhaus und fällt nicht besonders ins Auge. Das Grabmal der Marlitt auf dem Friedhof habe ich nicht aufgesucht. Die anderen Stätten schon. Viel zu sehen gibt’s da aber letztlich nicht …
Die einzige Möglichkeit, sich der Marlitt in Arnstadt zu nähern, wäre eine thematische Stadtführung gwesen; die Stadtführerin Uta Kessel bot sie im Kostüm der Marlitt an – ungeachtet der Tatsache, dass die stark an Arthhritis Erkrankte zu solchen Gängen selbst nicht in der Lage gewesen wäre.
Marlitt-Veröffentlichung mit spannendem Kommentar
Ebenfalls in der Touristen-Information stellte mir der nette Mann an der Infotheke ein Büchlein vor: „Die 12 Apostel“. Kenn ich. Ja, aber das Nachwort … Also habe ich das Bändchen gekauft – und es nicht bereut.
Das Buch erschien 1990 im Wartburg-Verlag Jena, enthält zeitgenössische Illustrationen des 19. Jahrhunderts und im Nachwort geht Karlheinz Maess dem Phänomen Marlitt nach. Die Lebensdaten usw. kenne ich ja; was mich interessierte, waren die Angaben zum Verleger Marlitts. Ja, der, der die „Gartenlaube“ herausgab. Bisher habe ich mich mit den spärlichen Angaben zu dieser Familienzeitschrift zufriedengegeben, die eben so herumschwirren. Doch Karlheinz Maess schildert hier in Ernst Keil einen Mann, der „wegen Vergehen gegen die Pressebestimmungen“ im Gefängnis saß (S. 96). Ernst Keil war liberaler Gesinnung. So hatte er seine ersten Publikationen auch aufgezogen. Deshalb das Gefängnis. In den neun Monaten erdachte er ein neues Konzept. Und das war der Text zur neuen Zeitschrift, den ich kannte:
Wenn Ihr im Kreise Eurer Lieben die langen Winterabende am traulichen Ofen sitzt oder im Frühlinge, wenn vom Apfelbaume die weißen und roten Blüten fallen, mit einigen Freunden in der schattigen Laube – dann lest unsere Schrift. Ein Blatt soll’s werden für’s Haus und für die Familie, ein Buch für Groß und KLein, für jeden, dem ein warmes Herz an den Rippen pocht, der noch Lust hat am Guten und Edlen! Fern von aller raisonnierdenden Politik und allem Meinungsstreit in Religions- und anderen Sachen, wollen wir Euch in wahrhaft guten Erzählungen einführen in die Geschichte des Menschenherzens und der Völker. (…) So wollen wir Euch unternhalten und unterhaltend belehren. Über das Ganze aber soll der Hauch der Poesie schweben wie der Duft auf der blühenden Blume, und es soll Euch anheimeln in unserer Gartenlaube, in der Ihr gut-deutsche Gemütlichkeit findet, die zu Herzen spricht. So probiert’s denn mit uns und damit Gott befohlen.
S. 97 f
Na, das klingt doch wirklich bieder, oder? Doch wie Karlheinz Maess darlegt, schaffte es Ernst Keil, auf diese Weise liberale Gedanken und Ansichten unters kleinbürgleriche Volk zu bringen. Und die Marlitt hatte daran großen Anteil. Wie ich ja zu ihrem 130. Todestag schon mal darlegte, kritisierte sie munter drauflos – v. a. der katholsiche Klerus und die Bigotterei im Bürgertum waren dabei ihre Zielpunkte. So passte sie großartig zum Konzept von Ernst Keil.
Kleines Fazit meiner Marlitt-Suche in Arnstadt
Mag ich in Arnstadt also nichts Handfestes zum Leben der Marlitt gefunden haben – mit dem Büchlein aus der Touristen-Information habe ich Spannendes erfahren 🙂
Hier noch die Angaben zum Bändchen:
E. Marlitt. Die zwölf Apostel. Mit einem Nachwort von Karlheinz Maess, Wartburg Verlag, Jena, Evangelische Verlagsanstalt Berlin GmbH, 1990, ISBN: 3374010636
Bisher gibt es noch keine Kommentare