Die Herrin der Kathedrale von Claudia und Nadja Beinert

Die Herrin der Kathedrale von Claudia und Nadja Beinert

Uta von Naumburg gilt als schönste Frau des Mittelalters. Ihre Skulptur am Naumburger Dom ist weltberühmt. Über ihr Leben gibt es allerdigns nur wenig Gesichertes. Auch die Rezeptionsgeschichte ihrer Figur im Dom war nicht geradlinig: Als eine von 12 Stifterfiguren im Westchor des Doms war sie jahrhundertelang quasi unsichtbar – sie entprach nicht dem an der Antike geschulten Schönheitsideal. Das änderte sich erst, als es Photos von ihr gab – als isolierte Gestalt, was sie ja nun nie war. (Genaueres zur Genese von Uta als Stilikone können Sie in diesem ZEIT-Artikel nachlesen – hier geht es jetzt um den aktuelle Roman)

Die Schwestern Claudia und Nadja Beinert haben nun die wenigen Fakten zu Uta genommen und eine Geschichte darum gesponnen, die kaum einen Leserinnenwunsch offen lässt:

  • Familienintrigen
  • Frauen im Mittelalter als die eigentlichen Heldinnen gegenüber der Gesellschaft
  • ein bisschen Liebe
  • sehr viele historische Informationen
  • leider auch einiges an (sexueller) Gewalt

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Einmal die böse Stiefmutter in Walt Disneys Schneewittchen, im Buch die Tochter mit Rachegelüsten: Uta von Naumburg. Foto: Deutsche Fotothek
Ähnlich wie Birgid Hanke mit ihrer Eleonora Prohaska verfahren die beiden Schwestern Beinert bei ihrem Debüt: Sie verpassen einer historischen Gestalt einen Lebenslauf, der Menschen im 21. Jahrhundert schmeckt (Zutaten s. o.). Das ist völlig in Ordnung so. „Die Herrin der Kathedrale“ ist kein wissenschaftliches Werk, sondern Unterhaltung. Ein solide gefertigter historischer Schmöker, weder exzeptionell gut, noch unerträglich banal. Das Buch lässt sich gut lesen. Ich erfahre einiges über mittelalterliches Recht. Die Handlung bietet ein paar unerwartete Wendungen – Spannung ist also auch vorhanden.

Kurz was zur Handlung: Die junge Uta wird von ihrem Vater fälschlicherweise bezichtigt, ihre Unschuld aufs Spiel gesetzt zu haben und deshalb brutal geschlagen. Ihre Mutter bringt sie zu ihrem Schutz ins Kloster. Danach stirbt die Mutter und der Grund ist klar: Der Vater hat sie umgebracht. Dieser Mord wird die Motivation für Uta – sie lernt, was immer sie kann und sie studiert alle rechtsgelehrten Unterlagen, deren sie habhaft werden kann: Sie will ihren Vater richten. Die Kathedrale hat damit auch zu tun – viel!

Für die, die noch mehr Hintergründe wissen wollen, haben Claudia und Nadja Beinert auf einer eigenen Website noch ein paar Schmankerl – Lesetipps und ein paar kurze Infotexte zu einzelnen Aspekten; sehr schön!

Jetzt mal was in eigener Sache: Ein kleiner Appell an Autorinnen mit historischen Romanideen: Könnten Sie bitte bitte bitte auf die fast schon inflationär auftauchenden sexuellen Anomalitäten und Grausamkeiten verzichten? Sie zumindest einschränken? Der Zusatz

Utas Bruder hat eine besondere Beziehung zu den Frauen seiner Familie. Er sieht sie am liebsten zu seinen Füßen (Personenverzeichnis, S. 9)

hat mich doch sehr abgetörnt. Denn nein, ich bin nicht interessiert an Inzest, Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch. Mich interessiert die Bildungssituation, das alltägliche Leben und sowas bei historischen Romanen – sexuelle Gräueltaten gibt es heute genug, hat es immer gegeben und sie brauchen in einem historischen Roman nicht so viel Platz. Danke.

Claudia und Nadja Beinert: Die Herrin der Kathedrale, Droemer Knaur, München, 2013, ISBN: 9783426514047

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

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