Das Warten auf Leben von Moussa Mbarek

Das Warten auf Leben von Moussa Mbarek

Die Bilder von Moussa Mbarek und die Texte von Yvonn Spauschus ergeben zusammen ein herzzerreißendes Buch, das ich sehr empfehle.

Nicht-da-sein-Dürfen, Nicht-so-sein-Dürfen – das sind die Erfahrungen des Targi Moussa Mbarek von Kindheit an. Als Künstler setzt er seine Erfahrungen in Bilder um. Und in was für welche!

Worum geht es Moussa Mbarek und Yvonn Spauschus?

Die Geschichte eines staatenlosen Targi zu erzählen und spürbar zu machen, der von Kindheit an „anders“ war, „anders“ angesehen wurde und ganz andere Erfahrungen machte als z. B. seine Mitschüler.

Alles hing immer mit „Papieren“ zusammen; der Untertitel des Künstlerbuchs heißt folgerichtig: „Von Menschen und Papieren“.

Staatenlos in der libyschen Wüste geboren hat er z. B. kein Anrecht auf ein Zeugnis nach dem Schulabschluss. Es gibt keine Geburtsurkunde. Und als staatenloser Geflüchteter hat er keine Aussicht auf die Papiere, die ihm sein Da-Sein im neuen Land ermöglichen.

Yvonn Spauschus erzählt im letzten Teil des Buchs die Geschichte von Moussa Mbarek. In kurzen, dicht formulierten Absätzen werden seine Erfahrungen greifbar. Mit knappern Texten ergänzt sie die 22 Bilder im Buch:

Sie nahmen und unsere Religion und gaben uns eine neue.

Sie nahmen uns unsere Sprache und gaben uns eine neue.

Sie nahmen uns unsere Schrift und gaben uns eine neue.

Sie haben versucht, uns unsere Würde zu nehmen.

Aber wir sind Söhne und Töchter der Wüste.“

Dieser Text steht neben dem Bild „Sehnsucht“ – ein verschleierter Targi, braun, schwarz und weiß die Farben.

Was sind das für Bilder?

Der Pressemitteilung war das Bild „Kel Esuf“ beigefügt – Sie können es mit dem Link selber anschauen …

Ein Großteil der Bilder sind ein- oder mehrfarbige Linolschnitte, im Handdruck hergestellt.

Es gibt schwarz-weiße Linolschnitte mit Gesichtern, die an Walter Habdank erinnern. Aber auch andere Techniken nutzt Moussa Mbarek – er kann seine Erfahrungen auf vielfältige Weisen ausdrücken. Intensiv sind sie alle.

Auch die Schrift der Tuareg – Tifinagh – nutzt er dabei. Wenn man nicht weiß, dass es eine Schrift ist, könnte es auch rein ornamental sein. Aber die Ausdrucksstärke des Bildes „Tamasheq ist meine Sprache und niemand darf mir verbieten, meine Sprache zu sprechen“ lässt diese Vermutung ganz schnell wieder verschwinden.

Buchstabiertafel für die Schrift Tifinaq - weiße Quadrate mit den Buchstaben auf blauem Grund.
2014 habe ich in Marokko die Buchstabiertafel für Tifinaq gefunden. Foto: Heike Baller

Die Tuareg

Yvonn Spauschus gibt in den Texten am Ende des Buches einen Einblick in das Leben der Tuareg und in die Unterdrückung dieses Nomadenvolkes. Als Jugendliche habe ich „Kel Rela“ von Federica de Cesco gelesen – noch in der Originalfassung von 1977 (2010 gab sie eine aktualisierte Fassung heraus).  Da hat mich vor allem die tragische Geschichte der jungen Frau gefesselt, die einen Targi lieben lernte, dort lebte und ihn dann verlor. Die politische Unterdrückung hab ich als Teenager nicht so wahrgenommen, doch Federica de Cesco hatte sie benannt (selektive Wahrnehmung beim Lesen bei mir) und die Infos kamen bei mir jetzt alle wieder hoch, als ich das Buch von Moussa Mbarek und Yvonn Spauschus gelesen habe.

Es ist ein empfehlenswertes Buch.

Moussa Mbarek und Yvonn Spauschus: Das Warten auf Leben. Von Papieren und Menschen, Mirabilis – Verlag, Klipphausen/Miltitz, 2022, ISBN: 9783947857173

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

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