Man muss über sich selbst schreiben von Golo Mann

Man muss über sich selbst schreiben von Golo Mann

„Man muss über sich selbst schreiben“ war ein Rat, den Golo Mann einer Kollegin gab. In diesem Sammelband stellt Tilmann Lahme einige Texte von Golo Mann zusammen, die unterschiedlichen Sphären entstammen:

  • Erzählungen
  • Porträts (besoners der eigenen Familie)
  • die Rundfunkansprachen an deutsch Hörer von 1944 und 1945
  • Essays zu Politikern seiner Zeit

Gibt es einen roten Faden in der Sammlung?

Die unterschiedlichen Textarten werden auf jeden Fall durch den Stil Golo Manns zusammengehalten, der eine ansprechende Mischung von elaboriert und – für Ohren des 21. Jahrhunderts – etwas altertümllich mit deutlichen Anklängen an gehobene gesprochne Sprache mischt. Ich ssagte es schon bei der Besprechung von „Lavalette“ – ich mag das.

Dann gibt es noch so eine Vorliebe für die Nische:

  • Die Erzählung Lavalette (hier mit dem Originaltitel „Herr und Frau Lavalette. Eine Episode aus napoleonischer Zeit“ aufgeführt) kannte ich ja bereits – eine Figur aus den Wirren der Französischen Revolution der Napoleonischen Kriege und der beginnenden Restauration, die nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen hat wie z. B. die großen Generäle Napoleons oder auch Joseph Fouché.
  • Die Betrachtungen einzelner Familienmitglieder zielt auch nicht immer auf das Bekannte. Als Bruder, Neffe oder Sohn hat er einen anderen Blick, erlaubt er einen anderen Blick. Doch bleibt er in seinen Porträts immer loyal, stellt niemanden bloß.
  • Spukgeschichtchen aus den 60ern entstammen seiner Schublade – sie sind vorher nicht publiziert worden. Kleine Fingerübungen scheinen sie mir zu sein. Dass er erzählen kann, hat Golo Mann in seinen historischen Werken zur Genüge bewiesen und tut es auch hier: Kurz und prägnant wie in der zweiseitigen Erzählung „Die Todesanzeige“ von 1965.
  • Seine erste Erzählung als Neunzehnjähriger – Tilmam Lahme nennt sie „radikal autobiographisch“, also das Paradebesipiel für „Man muss über sich selbst schreiben“.
  • Betrachtungen zur Zeitgeschichte, immer mit Bezug auf die Geschichte – z. B. im Beitrag „Frieden mit Polen machen“ zu Bismarkc un d seienr Haltung gegenüber Österreich nach dem Deutsch-Österreichischen Krieg 1866.
Golo Mann und seine Schwester Erika beim Essen in der Schweiz auf eienr Terasse
1936 in der Schweiz mit seiner Schwester Erika Mann. Foto: Annemarie Schwarzenbach

Ein empfehlenswertes Buch?

In meinen Augen ja. Der Autor Golo Mann mit seiner Familiengeschichte, seinen belastenden Beziehungen und den Zeitläuften, denen er ausgesetzt war, wird in jedem der Texte spürbar – getreu dem Motto „Man muss über sich selbst schreiben“ teilt er mal biographische Details, wie die Erinnerungen ans einen Onkel Heinrich Mann, bezieht er woanders Stellung in der politischen Auseinandersetzung – sowohl in seinen Radioansprachen als auch in seiner Darlegung „Mit Polen Frieden machen“:

Als Konrad Adenauer, noch ehe es die Bundesrepublik gab, anfing, von Versöhnung zwischen Deutschland und seinen westlichen Nachbarn zu sprechen, als er ehrlich und leidenschaftlich um ihr Vertrauen warb, hat er auch nichts verlang; aber später hat er eine ganze Menge bekommen.

S. 211

Überhaupt ist gerade in diesem Beitrag von 1964 so vieles, was auch heute aktuell ist …

Die Einleitung von Tilmann Lahme, dem Herausgeber des Bandes, ist ebenfalls lesenswert – er fächert die unterschiedlichen Schreibarten Golo Manns auf, zeigt, wie das Pseudonym in der ersten Erzählung des Neunzehnjährigen zu verstehen ist – und gerade hier, in einer Erzählung über die Leiden eines homsexuellen Studenten kommt das Leitmotiv „Man muss über sich selbst schreiben“ sehr deutlich heraus; die Familie bis auf Klaus wusste von dieser Autorschaft nichts. Ein weiteres Thema der Einleitung ist auch die Einordnung Golo Manns gegenüber Politik und ihren Vertretern – war er nun eher links oder eher konservativ …

Keine Neuerscheinung, aber ein Buch, das mir gerade sehr zupass kam.

Golo Mann: „Man muss über sich selbst schreiben.“ Erzählungen, Familienporträts, Essays, hrsg. v. Tilmann Lahme, mit einem Nachwort von Hans-Martin Gauger, S. Fischer Verlag, Frankfurt/Mein, 2009, ISBN: 978310479150

Das Buch ist schwer einzuordnen; da so viele biographische Elemente darin vorkommen – von Golo Mann selbst, aber auch von Tilmann Lahme und Hans-Martin Gauger -,packe ich es zu den Biographien 😉

Ein kleiner Beitrag zu meinem #MannMarathon

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

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