Nein, ich kann kein Griechisch, aber Günter Dietz hat diese 16 Miniaturen des Literaturnobelpreisträgers Giorgos Seferis übersetzt – dann geht’s!
Der schmale Band erschien 1968 in der Reihe „ars poetica“ als Band 7 – und ich habe ihn zufällig im Bücherschrank der Verwandtschaft gefunden. Er heißt einfach „Sechzehn Haikus“ – und ja, weil es so auf dem Titel steht, verwende ich hier jetzt auch diese Möglichkeit der Pluralbildung, auch wenn ich sonst „Haiku“ nutze.
Die Haikus von Giorgos Seferis
Das erste Haiku, das ich aufschlug, war zugleich das letzte der Sammlung:
16 Du schreibst: die Tinte nahm ab das Meer nimmt zu (S. 39)
Sehr rätselhaft und ein bisschen wehmütig kam es mir vor.
Das gilt für einige der 16 Kurzgedichte – Heiteres habe ich nicht gefunden.
Die Bilder sind sehr dicht und assoziativ. Dazu passt in der Gestaltung des Buchs, dass die Seiten sehr viel Weißraum bieten – auf einer Hälfte der Doppelseite das griechische Original auf der anderen die deutsche Übertragung und dazwischen ein paar Vignetten in zartem Grau. Sie sind nach Zeichnungen von „Jolei“ entstanden, wie es heißt – „Jolei“ ist Joachim Leisegang, wie aus dem Wikipedia-Eintrag zum Dichter Dieter Leisegang (Werkverzeichnis) hervorgeht.
Diese Haikus sind nichts für „mal eben schnell“ – dafür sind sie zu sperrig. Aber sie lassen Raum, wenn ich mir als Leserin Zeit nehme. Tatsächlich sind mir ein oder zwei Texte seit dem ersten Lesen näher gekommen. Ich freue mich über den Fund.
Einn unbekannter Nobelpreisträger?
Giorgos Seferis erhielt erielt den Literaturnobelpreis im Jahr 1963 – als Dichter der neurgriechischen Sprache. Von Brotberuf war er Diplomat, unter verschiedenen, auch kritisch zu betrachtenden Regierungen im Griechenland des beginnenden 20. Jahrhunderts. Seine Lyrik war nicht oder nur sehr selten „politisch“. Bekannt war er v. a. für die Texte, die Mikis Theodorakis vertonte und die dann als Protestsongs der Bewegung gegen die Junta-Regierung in den späten 60er und frühen 70er Jahren galten. Die Beerdigung Seferis‘ war dann auch eher eine politische Demonstration als eine Würdigung eines eher stillen und zurückgezogenen Dichters.
Eines der von Theodariks vertonten Gedichte finden Sie hier – und eine sehr bewegend Aufnahme, in der Mikis Theodrakis das bekannteste dieser Lieder noch einmal mit einem großen Auditorium singt hier.
Eine spannende Biographie hat dieser Giorgos Seferis! Einen ausführlichen Text zu ihm finden Sie hier und in der englischen Wikipedia.
Giorgos Seferis: Sechzehn Haikus, übersetzt von Günter Dietz , in: ars peotica, Bd. 7, hrsg. v. Dieter Leisegang u.a., Horst Heiderhoff Verlag, Frankfurt am Main, 1968
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