„Es war einmal ein Lattenzaun“, „Ein Wiesel saß auf einem Kiesel“ – wer kennt sie nicht, die schrägen Gedichte von Christian Morgenstern? Aber wer kennt den Menschen, der sie geschrieben hat? Jochen Schimmang stellt ihn in seiner Biographie vor. Ausführlich und manchmal etwas ausufernd. So streut er in die Biographie Exkurse ein, die spezielle Aspekte des Lebens von Christian Morgenstern erläutern helfen sollen: Morgenstern als „Jünger“, erst von Nietzsche, dann von Paul Lagarde und zum Schluss von Rudolf Steiner, aber auch zu anderen wichtigen Personen seines Umfelds: Maximlilian Harden, die Cassirers, zur Gesellschaft der Kaiserzeit oder zu Morgensterns Verhältnis zu Frauen.
Jochen Schminag wendet viel Zeit auf, um den unbekannten Morgenstern zu präsentieren: den Übersetzer Ibsens z. B., der mit einer seltenen Begabung Norwegisch erst kurz zuvor erlernte. Morgenstern war in Norwegen, lernte Ibsen selber kennen und der war von der Übersetzung des jungen Mannes sehr angetan – das Gesamtwerk des norwegischen Autors zu übersetzen, war eine mehrjährige Aufgabe, an der Christian Morgenstern großen Anteil hatte. Den Zeitgenossen, der in der ersten längeren Friedensperiode aufwuchs, die technische und gesellschaftliche Umbrüche mit sich brachte. Den Mann, der erst spät die Gefährtin fürs Leben fand.
Christian Morgenstern war ein kranker Mann sein ganzes, eher kurzes Leben lang. Bei seiner Mutter, die in seiner Kindheit an Tuberkulose starb, hat er sich angesteckt. Die Folge war, dass er ständig reiste – immer auf der Suche nach einer ihm bekömmlichen Luft. So heiter, wie man vermuten könnte, wenn man seine Galgenlieder als Ausdruck seiner Person nimmt, war er nicht. Jochen Schimmang öffnet einen Zugang zu diesen vor allem als Jux verstandnen Gedichten: Sie sind subversiv – sie sind Sprachkritik. Dabei spielt die Form der Gedichte eine besondere Rolle.
Jochen Schimmags Buch ist eine Biographie, die durchaus persönlich daherkommt. Ein paar Elemente haben mich ein wenig gestört: Die Exkurse hätten, evtl. etwas gekürzt, auch im normalen Text Platz finden können – schließlich stellt Jochen Schimmang im Text auch sonst Zeitumstände oder Personen ausführlich vor. Sie in kleinerer Schrift zu drucken, ist bei ihrer Länge über mehrere Seiten nicht lesefreundlich. Andererseits kommen dann Sätze, in denen Jochen Schimmang darauf hinweist, etwas nicht ausführen zu können, weil es zu viel Raum einnähme, in meinen Augen etwas willkürlich daher. Es ist also keine Biographie wie viele andere – ein sehr eigenes Buch von einem eigenwilligen Autor über einen sehr eigenen Menschen, der übrigens heute vor 100 Jahren seiner Lungenkrakheit erlag, sechs Wochen vor seinem 43. Geburtstag.
Jochen Schimmang: Christian Morgenstern. Eine Biographie, Residenz Verlag, St. Pölten, 2013, ISBN: 9783701732630
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