Ein Erstlingsroman mit ungewohntem Einstieg: Big Bang – und was sich daraus entwickelt. Besonders in dem Gebiet, das Mitte der 80er als Braunkohletagebaugebiet von seinen Einwohnern verlassen werden musste. Mitten drin der 14jährige Thomas Sieben. Der Bruder wird tot im Bach gefunden, die Schwester geht eigene Wege, die Mutter ist eine alkoholkranke Messie-Frau und der Vater schon vor Jahren verschollen. Thomas kennt nur Kampf: gegen Missachtung, gegen „Glatzen“ und vor dem Sozialamt den endlosen Kampf mit der Behörde um das Geld für die Familie. Der Tod des Bruders bringt alles durcheinander und gegen Ende steht Thomas völlig allein am Rand des Tagebaus und überlegt, zu springen.
„Aber ich bin schmerzempfindlich,“ lautet der Satz, der ihn zurückhält. Was Thomas an Schlimmem begegnet, wieviel körperliche und verbale Gewalt er erfährt – es ist fast nicht auszuhalten. Aber er hält es aus. Er macht sich Gedanken über Moral und Gott und die Welt im Allgemeinen. Matthias Gerhards verleiht ihm eine flapsige Sprache, die nicht mit seiner Situation zusammenpasst (ein Kritikpunkt) – es macht aber Spaß, dem klugen Kerl „zuzuhören“. Obwohl er mitten in der – Entschuldigung, bitte – Scheiße steckt, gibt er nicht klein bei und lässt in Gedanken schon mal bei furchteinflößenden Erwachsenen die Hosen fallen; das hilft.
Neben der familiären Katastrophe – anders kann man die Situation der Familie Sieben nicht nennen – steht ein Dorf im Mittelpunkt, das durch den Braunkohleabbau verschwinden soll. Bauern und Neubaubesitzer protestieren – die Atmosphäre der 80er wird spürbar, wenn Umweltaktivisten als grüne Chaoten beschimpft werden. Übrigens auch durch den Umstand, dass in diesem Buch, wie es zu der Zeit ja üblich war, ständig geraucht wird. Klamotten und Frisuren – wer erinnert sich nicht an die Karotten- und Bundfaltenhosen dieser Zeit.
Das Buch wird angekündigt mit „Wer sagt denn, dass man über eine unglückliche Kindheit nicht lachen darf?“ – so ist es. Die Kindheit von Thomas Sieben ist mit vierzehn Jahren schon lange vorbei; die Lebensumstände erlauben kein unbeschwertes Rumtollen. Doch manche Szenen sind von unwiderstehlicher Drastik und Komik, an anderen Stellen bleibt einem das Herz bald stehen wegen der Grausamkeiten und Verletzungen, denen Thomas und seine Freunde ausgesetzt sind. Ein tolles Buch, das gefangen nimmt, das im besten Sinne lachen und weinen lässt.
Matthias Gerhards: Gott ist kein Zigarettenautomat, Albrecht Knaus Verlag, München, 2013, ISBN: 9783813505504
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