Heute vor 200 Jahren, am 21.1.1815, starb Matthias Claudius und ich hoffe, dass er den Tod so empfangen konnte, wie er es nach seiner Erkrankung von 1777 wünschte (ich zitiere die letzte Strophe):
Nach der Krankheit 1777
(…)
Will mich denn freun noch, wenn auch Lebensmühe
Mein wartet, will mich freun!
Und wenn du wiederkömmst, spät oder frühe,
So lächle wieder, Hain! (Geck: Matthias Claudius, S. 157)
Martin Geck macht in seiner sehr persönlich gehaltenen Biographie sehr schön deutlich, wie eng verbunden sich Matthias Claudius mit Freund Hain sah – eine Lebenshaltung, die auch zu seiner Zeit nicht allgemein üblich war. Schon hier: „Biographie eines Unzeitgemäßen“, wie der Untertitel lautet.
Aber erst einmal allgemein zum Buch: Martin Geck betont den persönlichen Charakter der Biographie mit Vor- und Nachwort, die mit „Mein Claudius – damals“ und „Mein Claudius – heute“ überschrieben sind. Da schildert er, wie er das erste Mal „Der Mond ist aufgegangen“ gehört hat, seine sonstige Arbeit an Biographien (v.a. zu Musikern, denn Martin Geck ist Musikwissenschaftler). Seine Herkunft als Pfarrerssohn zeigt eine Parallele zu Claudius‘ Herkunft auf – beide haben auch weiterhin Interesse an Theologie und Philosophie. So erstaunt es nicht, dass Martin Geck, der hier ja zum ersten Mal über ein „fachfremdes Sujet“ schreibt, seine Abgrenzung von anderen Biographen Claudius‘ mit „So seh ich das nun mal“, „So verstehe ich Matthias Claudius“ begründet. Sein Interesse liegt auf den mystischen Facetten, die er im Denken von Claudius ausmacht.
Unzeitgemäß – ein Adjektiv, das Martin Geck im Untertitel, also an sehr prominenter Stelle, auf Matthias Claudius anwendet. Mit dem Begriff des Zeitkritikers für das letzte Kapitel kommt man dem schon nahe: Matthias Claudius hat sich gegen Strömungen seiner Zeit gewandt, was dazu führte, dass er inhaltlich nicht so recht in die Sturm- und Drangzeit mit ihren Gemiekult oder in die Aufklärung à la Kant oder gar in die revolutionäre Zeit in Frankreich passt. Er ist antiauifklärerisch, befürwortet die Loyalität zu den herrschenden Verhältnissen. Deshalb unzeitgemäß.
Sprachlich allerdings, und das macht Martin Geck an Beispielen sehr schön deutlich, hat Matthias Claudius mit seinem „simplen“ Stil durchaus etwas Modernes. Nach der Bemerkung über das in den verschiedenen Ausgaben geschlabberte „etc. „* in „Der Mensch“ ist klar: Bei der Lektüre der Texte von Matthias Claudius ist ein zweiter Blick auf Kleinigkeiten erhellend.
* Das „etc.“ fehlt übrigens bei allen „Ausgaben“ des Gedichts, die ich auf die Schnelle im Netz gefunden habr – auch im Projekt Gutenberg. Nur bei zeno ist der Text vollständig – und das habe ich gezielt gesucht.
Martin Geck: Matthias Claudius. Biographie eines Unzeitgemäßen, Siedler Verlag, München, 2014, ISBN: 9783886809868
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