Inhalt des Beitrags
Ja, Utta Danella wäre im Juni 2020 100 Jahre alt geworden. Dazu gab es im WDR ein Zeitzeichen und aus dem habe ich erfahren, dass es einen „neuen“ Roman von ihr gibt. Na, den musste ich dann gleich lesen.
Was erzählt Utta Danella?
Die Nichte geht davon aus, dass es ein sehr frühes Werk ihrer Tante sei. Unter diesen frühen Romanen gab es ja einige, die Utta Danella unter männlichem Pseudonym geschrieben hat – in diese Reihe scheint „Begegnung in der Nacht“ auch zu gehören.
Ein frustrierter Manager – Frank Bender, ursprünglich aus Deutschland – macht sich Ende der 30er Jahre (das ist die Zeitangabe im Roman) auf den Weg von Shanghai auf eine abgelegene Plantage, wo er als Verwalter arbeiten soll. Ihm ist in Shanghai alles weggebrochen – Firma, Ehe, Geld; natürlich ohne eigene Schuld.
Auf dem Weg zur Plantage begegnet ihm im Hotel eine unbekannte Schöne, mit der er eine zauberhafte Nacht verbringt. Es ist Liebe. Doch leider macht sich die Frau still und heimlich in der Morgendämmerung aus dem Staub. Als er nun auf der Plantage ankommt, ist dort die Aufregung groß: Der Besitzer ist erschossen worden und für die Leute dort ist klar, wer es war: Seine Frau. Und die ist verschwunden.
Und raten Sie mal, wer das ist …
Nun kommen ein paar Krimibestandteile in die Handlung, bis sich am Ende alles aufs Tragischste und Beste zugleich aufklärt.
Und? Ist es schon ihr Stil?
Eindeutig ja. Utta Danella hat einen bestimmten Ton: Auf der einen Seite ist sie sehr detailliert und präzise, auf der anderen lässt sie Raum für eigene Vorstellungen.
Sein Gesicht war in Shanghai nicht unbekannt, und wer je mt ihm zu tun gehabt hatte, der wusste, wie viel Energie hinter der gelassenen Miene steckte, welche blitzschnelle Auffassungsgabe und was für ein unbestechliches Urteil.
Nur wenige – und zu diesen wenigen gehörte Frank Bender – hatten jedoch ein Ahnung von Williams Güte.
S. 16
Was mir aufiel: Sie wechselt häufiger die Perspektive – so schaue ich zwar meist mit den Augen Frank Benders auf das Geschehen, doch zwischendurch wechselt das. Das gibt es bei anderen Büchern von Utta Danella auch; z. B. bei „Die Hochzeit auf dem Lande“. Hier hat es etwas geholpert. Es wirkte auf mich nicht organisch. Sie hat also im Laufe der Zeit sehr dazugelernt.
Insgesamt bedient Utta Danella in diesem frühen Text sehr viel mehr Klischées als später – vielleicht mit ein Grund, warum sie den Text nicht veröffentlicht hat.
Gibt es was Besonderes, so für einen Roman von Utta Danella?
Der Ort der Handlung ist besonders – Frank Bender treibt sich da im Fernen Osten rum. Erst Shanghai, jetzt eine tropische Insel mit Dschungel und Plantage. Exotismus at its best. Könnte man meinen. Doch die Menschen, um die es geht, sind v. a. europäisch. Und entsprechen einer Reihe von Vorurteilen, v. a. die männlichen. Einheimische weibliche Angestellte sind Freiwild für sie.
Dagegen hebt sich der Protagonist dann ab – er verweigert sich der europäischen Hybris. Utta Danella macht an ihm sehr deutlich, dass sie solche ethnisch motivierten Übergriffe nicht goutiert. Sexuelle schon mal gar nicht – weder in die eine noch in die andere Richtung. Denn ja, auch Fauen können in ihren Augen übergriffig werden. Und so kommen einige europäische Frauen genauso schlecht weg, wie die Männer – sei es in Shanghai oder auf der Plantage. Dagegen leuchten die beiden Lichtgestalten natürlich um so mehr – männlich wie weiblich.
Trotz dieser Einstellung von Frank Bender kommen die beiden einheimischen Hauptfiguren v. a. als Klischées rüber. Utta Danella schildert sie zwar mit Herz und Freundlichkeit – aber ihre Geschichte bedient alle Vorurteile. In denen die europäischen Vertreter schlecht wegkommen; verstehen Sie mich nicht falsch. Aber dieser Twist in derGeschichte ist genau das oben erwähnte Stereotype in dem Buch.
Andererseits, wenn man davon ausgeht, wann sie den Roman vermutlich geschrieben hat (ihre erste Publikation war 1956) und dass es sich um erste Gehversuhe im Schreiben nach der Nazizeit handelt, ist die grundsätzlich positive Einstellung gegenüber Nicht-Europäerinnen auch schon eine Aussage.
Fazit
Ein netter kleiner Schmöker für alle, die Utta Danella und ihren Stil mögen.
Utta Danella: Begegnung in der Nacht, Heyne Verlag, München, 2020, ISBN: 9783453424463
Die Stadtbibliothek Köln hält das Buch auch vor.
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