Zehn jagen Mr. X von Erika Mann

Zehn jagen Mr. X von Erika Mann

Als ich im Juli in der Moncensia war, fand ich ja ein Kinderbuch von Erika Mann, das ich bisher nicht kannte. Das musste ich haben!

Heute vor 50 Jahren ist Erika Mann gestorben – eine ganz besondere Frau, mit Witz und politischem Instinkt, mit Werten und Mut. Thomas Mann nannte sie sein „begabtes Kind“ – sie war Journalistin, Schauspielerin, Kinderbuchautorin, Kabarettistin, politisch aktiv und in den letzten Jahren ihres Lebes Nachlassverwalterin für Vater und Bruder.

Was erzählt Erika Mann?

Auf der einen Seite eine Abenteuergeschichte rund um Spionage: Eine Kindergruppe engagiert sich für eine gute Sache und findet heraus, dass da jemand Dreck am Stecken hat. Also begeben sich die zehn auf die Verfolgungsjagd. Es gibt reichlich Abenteuer und Spannung und Rückhalt in der Gruppe. Geschildert wird das Geschehen von einer erwachsenen Vertrauensperson, einer Journalistin – ein alter Ego von Erika Mann -, die gelegentlich Zusatzinformationen bieten kann. Ihr Spitzname: Depesche.

Auf der anderen Seite haben wir es mit einem Anti-Nazi-Buch zu tun. Sechs der Kinder sind aus Europa nach Amerika gekommen, auf der Flucht vor den Nazis. Teils unter grausamen Bedingungen.

  • So ist das Schiff, auf dem George aus Großbritannien anreiste, von den Deutschen beschossen worden, untergegangen und er hat den Tod vieler Kinder miterlebt – und die Aufopferung einer Frau, die ihm ihren Platz im Rettungsboot überließ.
  • Auch Iwan ausRussland hat Schweres erlebt – mit der Mutter musste er mitansehen, wie das ganze Dorf abgefackelt wurde, damit die Deutschen nichts Verwertbares vorfinden. Die Flucht über Finnland nach Schweden war sehr gefährlich und nun ist Iwan ohne Mutter und Vater in Amerika.
  • Rombout hat bei einem Bomberangriff Mutter und Bruder verloren und erfahren, dass die Nazis nur deshalb Rotterdam angereifen konnte, weil Verrat im Spiel war.

Eins ist allen klar: Die Nazis dürfen nicht siegen.

Alle Kinder besuchen die Schule „Neue Welt“, eine Reformschule mit demokratischen Verfahren und sehr viel Rechten für die Schülerinnen und Schüler. So bekommen sie die Möglichkeit, ihre Ideen zur Stärkung des amerikansichen Kriegsengagements umzusetzen.

Wie erzählt Erika Mann?

Sie spricht ihre Leserinnen direkt an:

Ich glaube, es ist besser, wenn ich euch den wirklichen Namen der Stadt und die Namen ihrer Bürger nicht verrate.

S.9

So beginnt sie und solche Kommentare finden sich immer wieder. Sie wendet sich klar an Kinder und zeigt, dass sie sie ernst nimmt.

Nun ist das Buch 1942 geschrieben – der Tonfall hat sich im Laufe von fast 80 Jahren doch etwas verändert. Deshalb wirkt der Stil manchmal etwas ungewohnt. Dass manche Stellen umständlich daherkommen, ist wohl der Erzählerin zuzurechnen, die als Journalistin keine wirklich große Leuchte zu sein scheint – im Gegensatz zur Autorin 😉 .

Ein Porträt von Erika Mann aus ihrer Zeit als Journalistin in den USA
Erika Mann als Journalistin in den USA

Die Übersetzung ist recht modern; sie stammt von Elga Abramowitz aus dem Jahr 1990. Da erschien das Buch erstmals auf Deutsch. Diese Übersetzung liegt auch der aktuellen Ausgabe im Rowohlt Verlag zugrunde, in dem auch die anderen Werke von Erika Mann erschienen sind.

Ja, das Buch erschien 1942 auf Englisch – es war für den amerikanischen Markt gedacht. Eine damals geplante deutsche Ausgabe kam nicht zustande. (Diese Informationen entstatmmen dem Nachwort von Uwe Naumann.)

Erika Mann hat auf jeden Fall eine spannende Geschichte geschrieben. Für heutige Leser ist sie zudem ein zeitgeschichtliches Dokument – sie schildert die Situation in den USA nach deren Kriegseintritt.

Noch was zur Übersetzung des Buchs von Erika Mann

Wie oben schon erwähnt, sollte das Buch auch auf Deutsch erscheinen. Die Übersetzung war auch schon fertig. Käthe Rosenberg, eine Cousine von Erikas Mutter Katia, verfasste sie unter dem Titel „Kinder der neuen Welt„. Sie liegt im Archiv der Monacensia. Erika Mann hat sie auch bearbeitet. Leider ist das Dokument zu diesem Zeitpunkt (September 2019) noch nicht digitalisiert.

Erika Mann: Zehn jagen Mr. X, übersetzt von Elga Abramowitz, mit einem Nachwort von Uwe Neumann, Rowohlt Verlag, Hamburg bei Reinbek, 2019, ISBN: 9783499218514

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

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