„Zehn Materialien die unsere Zivilisation ausmachen“ – Mark Miodownik hängt das ganz schön hoch. Und – es funktioniert.
„Materialwissenschaften“ – klingt unvertraut, oder? Ist aber spannend. Bei uns im Umfeld hat sich ein junger Mensch bei der Info-Veranstaltung für das Studium „Maschinenbau“ nach der Info: „Mehrere tausend beginnen das im Wintersemester hier – bei Materialwissenschafen sind es 80“ zu der anderen Info-Veranstaltung begeben, sich zum Thema schlau gemacht und dann dieses Studium aufgenommen. Mark Miodownik schafft es, die Faszination dieses vilefältigen Faches zu vermitteln.
Worüber schreibt Mark Miodownik?
- Beton
- Stahl
- Schokolade
- Glas
- Papier
- Plastik
- Graphit
- Schaum
- Porzellan
- Implantat (okay, über die Bezeichnung ließe sich streiten)
Jedem Kapitel ist dasselbe Bild vorangestellt – ein Schnappschuss, der Mark Miodownik auf seiner Dachterrasse zeigt, mit Kaffeetasse, Zeitung, Schokolade, Stift, Kunststoffblumentöpfen usw.
Die meisten Schilderungen beginnt er mit einer persönlichen Anekdote – überhaupt kommt er selber sehr häufig in seinen Geschichten vor; er ist Materialwissenschaftler 😉
Dabei ist jedes Kapitel unterschiedlich aufgebaut – Papier stellt er z. B. in vielen Unterkapiteln vor, die den vielfältigen Erscheinungsformen von Papier gewidmet sind, von Zeitungs- und Klopapier bis hin zum Karton der Fahrausweise oder den „wertig“ aussehenden Papiertüten beim Kleiderkaufen. Das Kapitel zu Plastik enthält ein kleines Drehbuch zu einem erdachten Film über die Erfindung von Zelluloid, dem ersten formbaren Kunststoff – einem mit tragischen Nebenwirkungen.
Die Informationen zu den Materialien baut er geschickt ein, illustriert z. B. die Kristallbildung oder die chemischen Raster mit einfachen Skizzen. Und ansonsten erzählt er von der Faszination, die von dem einzelnen Werkstoff ausgeht, von der Geschichte, die er durchlaufen hat und wo wir ihm wie im Alltag begegnen. Gerade bei den Ausflügen in die Geschichte kommen auch andere Materialien zu Wort – Eisen und Kupfer haben ihren Auftritt bei „Stahl“, Diamanten und Kohle bei Graphit.
Wie schreibt Mark Miodownik?
Unterhaltsam. Und verständlich. Und dann noch mit Wissen und Begeisterung … Dem Lesespaß steht nichts entgegen.
Sein Stil ist unter anderem deshalb so gut zu lesen, weil er sich eines aktiven Stils befleißigt; das macht einfache Tatsachenschilderungen nachvollziehbar – und eben auch unterhaltend:
Die Papierverpackung verleiht einem Päckchen eine Frische und Unberührtheit, die den Wert des Inhalts unterstreicht.Papier ist stabil genug, um das Geschenk auf dem Transport zu schützen, aber es ist so schwach, dass selbst ein Kleinkind es aufreißen kann.(…) Das Auspacken eines Geschenks erinnert an den Akt der Geburt: Für den Gegenstand beginnt ein neues Leben. (S. 58)
Die lustigen Plastiktassen sind ein Spiegelbild der Kindheit. Es wäre schön, wenn sie mitwachsen und sich im Laufe der Zeit in festere und elegantere Porzellantassen verwandeln könnten. Leider passiert das Gegenteil, das Plastik wird durch die UV-Strahlung der Sonne zersetzt und die Tassen sterben jung. (S. 244)
Das erste Kapitel, das ich schon vor einiger Zeit gelesen hatte, war das zu Schokolade (surprise, surprise); hier gibt Mark Miodownik eine Handlungsanweisung und schildert dann das Schmelzen von Schokolade im Mund so präzise, dass ich es förmlich spüren konnte.
Sie sehen, ich hatte viel Freude mit dem Buch von Mark Miodownik.
Mark Miodownik: Wunderstoffe. Zehn Materialien, die unsere Zivilisation ausmachen, übersetzt von Jürgen Neubauer, Deutsche Verlags-Anstalt, München, 2016, ISBN: 9783421047380
Die Stadtbibliothek Köln hat das Buch auch.
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