Dass ich ein Jane-Austen-Fan bin, brauche ich ja hier nicht mehr so sehr zu betonen. Und dass Bücher Bücher empfehlen, ist für engagierte Leserinnen eh eine Binsenweisheit. Bei meiner Rezension des Buchs Briefe von Simon Garfield fiel mir der Hinweis auf ein Werk von John Mullan auf. Übersetzt würde der Titel ungefähr so lauten: Was genau ist das Wichtige bei Jane Austens Romanen? Ich habe mir das Buch von John Mullan besorgt und große Freude daran gehabt.
„Twenty crucial puzzles solved“ (20 grundlegende Rätsel gelöst) lautet der Untertitel und so ist das Buch in 20 Kapitel eingeteilt, die unterschiedlichen Fragestellungen nachgehen, die einem beim Lesen der Bücher von Jane Austen in den Kopf kommen (können …). Zum Beispiel:
- How much does age matter? (Wie wichtig ist das Alter?)
- What makes Characters blush? (Was lässt Personen erröten?)
- Why is the Weather important? (Warum ist das Wetter so wichtig?)
- Do We ever see the lower classes? (Bekommen wir die unteren Klassen überhaupt zu sehen?)
- Is there any Sex in Jane Austen? (Gibt es Sex bei Jane Austen?)
John Mullan beschäftigt sich mit diesen Fragen anhand der Texte der Romane und gelegentlich auch der Briefe von Jane Austen. Dabei lässt er uns sowohl in die Gedanken der Heldinnen als auch die der Autorin schauen, er rekurriert auf damals übliche gesellschaftliche Standards und die übliche Literatur der Zeit. Auf unterhaltsame Weise ermöglicht er einen neuen Blick auf Emma, Elizabeth, Elinor und die anderen altbekannten Figuren. Es ist mir tatsächlich so gegangen, wie es Simon Garfield in seinem Buch schildert: Ich habe Lust bekommen, Jane Austens Romane erneut zu lesen; am liebsten auf Englisch, auch wenn mir da sicher manche Feinheit entgeht.
Doch mein Blick wird geschärft sein für die Kommunikation zwischen Schwestern, seien sie so unterschiedlich wie Elinor und Marianne, die Steels, Maria und Julia oder Jane und Elizabeth. Und vielleicht lerne ich sogar, die dünkelhafte Emma zu schätzen. Ich werde das Personal bewusster sehen, dass das Leben der Gentry überhaupt ermöglicht. Dass Charlotte Lucas eine besonnene Person ist, ist mir schon klar gewesen – wie signifikant ihr Verhalten gegenüber Mr. Collins für die spätere Ehe ist, habe ich bei John Mullan gelernt.
Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit den literarischen Innovationen, die Jane Austen eingesetzt hat, wo sie sich von ihren Zeitgenossinnen unterscheidet. Uns ist „Erlebte Rede“ (John Mullan spricht vom „free indirect style“) ein völlig vertrautes Stilmittel – Jane Austen ist die erste Autorin, die sie bewusst einsetzt, um ihre Leserinnen in das Innere ihrer Personen blicken zu lassen – und zwar mit all‘ ihren Irrtümern und Fehleinschätzungen. Das ist dann wieder ein Novum: Ende des 18./Anfang des 19. Jahrhunderts waren klare Charakterzeichnungen gefragt – eine Heldin hatte makellos zu sein in Aussehen, Verhalten, Denken und Fühlen. Jane Austens Heldinnen sind alles andere als makellos. Deshalb haben sie überlebt 😉
English Version:
When I reviewed the Book „To the Letters“ from Simon Garfield (the german translation), I got the hint to this book of John Mullan. As a fan of the novels from Jane Austen I was very interested – and I got a lot of informations about the well known books, which will change my future reading. John Mullan has written about the Lower classes in Jane Austen, about Sisterhood in variations, sex in Jane Austen and other questions concerning manners, books and social relationships. He is writing a very agreeable style (well, I’m not realy to judge this, because my English is poor, but I’ve been delighted). And now I’m keen to reread the novels of Jane Austen with this informations and insights.
John Mullan: What matters in Jane Austen? Twenty crucial puzzles solved, Bloomsbury, London, 2012, ISBN: 978148820117
PS: Als ich meine Regale nach Austens Büchern im Original absuchte, habe ich festgestellt, dass „Emma“ 2x im Regal steht; sollte also jemand interessiert sein …. Ich geb es gerne ab.
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