Eins vorweg: Ich habe ein Problem mit Ratgeberbüchern, die Selbstanalyse und -behandlung „anbieten“. Das Bild mit dem Beipackzettel fand ich aber interessant und habe das Buch des Therapeutenpaars Sabine und Roland Bösel ganz gern gelesen. Nur eben nicht als „Ratgeber“ für ernste therapiebedürftige oder sonstwie belastende Probleme, sondern eher als kleine Anregung für eigene Gedanken.
Die Idee mit dem Beipackzettel zieht sich als Info-Kasten vor jedem Kapitel durchs Buch – die Gebrauchsinformation (also so eine Art Inhaltsangabe) ist zur Orientierung nützlich. Die „Nebenwirkungen“, die eher in Richtungs „Heilsversprechen“ gehen, sind nicht so meins.
Die Themen, die die beiden Paartherapeutinnen hier behandeln, sind die seelischen Gepäckstücke jedes Menschen, die ihm in seiner Kindheit mitgegeben werden. Die wirken sich nämlich in späterern (Paar)Beziehungen aus. Noch dem Motto: „Was ich bei meinen Elten gesehen habe, prägt mein Beziehungsverhalten.“ Einige der vorgestellten Methoden sind tatsächlich für den Alltag tauglich, z. B. der „Theaterblick“, der verlangt, das Geschehen auf eine imaginäre Bühne zu stellen, um die Außenperspektive kennenzulernen. Oder der Gedanke, dass nur 10 Prozent eines Konflikts von der aktuellen Situation oder Konstellation ausgehen, aber 90 Prozent von mir selber kommen, in mir drin sind.
Sabine und Roland Bösel stellen immer wieder idealtypische Situationen oder Fallbeispiele vor, zu großem Teil mit ihren eigenen Namen – ob das nun ihre eigene Geschichte ist, sei dahingestellt, trotz der Übereinstimmungen in Beruf etc. -, die den Abluf einer bestimmten Vorgehensweise verdeutlichen. Außerdem geben sie gelegentlich Tipps, wie die Leserin selbst bestimmte Methoden nutzen kann. Und da habe ich dann das oben erwähnte ungute Gefühl. Das nichts mit dem vorliegenden Buch zu tun hat, sondern sich auf diese Art von Ratgebern allgemein bezieht. Ich halte nicht viel davon. Ich finde, dass in Situationen, die Menschen belasten, Experimente mit Gefühlen, eventuell noch mit einer zweiten oder dritten Person dabei, riskant sind. Wichtig finde ich in dem Zusammenhang, dass Sabine und Roland Bösel immer nur von Erfahrungen in ihrer Praxis berichten – das liegt in der Natur ihres Berufs, schon klar, aber für mich ist das auch ein Hinweis, dass für die Behandlung von Beziehungsproblemen, bzw. die Aufarbeitung familiärer Prägung ein geschulter Mensch dabei sein sollte, um emotionale Extremsituationen aufzufangen.
Das Buch ist gut zu lesen – unterhaltsam, flüssig. Das ist dem Umstand geschuldet, dass die erfahrenen Therapeutinnen eine erfahrene Autorin mit ins Boot geholt haben: Daniela Pucher, die eine angemessene Sprache findet. Die Professionalität des Therapeutenpaares zeigt sich für mich nicht zuletzt in der Tatsache, dass sie diese Kooperatin auf dem Titelblatt veröffentlichen: Expertise verbindet sich mit Expertise, um gemeinsam ein gutes Buch zu schaffen. Chapeau.
Sabine Bösel, Roland Bösel: Warum haben Eltern keinen Beipackzettel?, gemeinsam mit Daniela Pucher, Orac Verlag Kemayr & Scheriau, WIen, 2013, ISBN: 9783701505517
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