Inhalt des Beitrags
Als einziges Kind in der Familie mit enger Vaterbindung war das neue Buch von Susann Sitzler „Väter und Töchter“ für mich sehr interessant. Konnte ich noch was über „Vati“ und mich lernen?
Worum geht es in „Väter und Töchter“?
Genau darum – und das auf mehreren Ebenen:
- Susann Sitzler arbeitet hier, wie schon in „Geschwister“, ihre eigene (Famlien)Geschichte auf
- Sie spricht mit Vätern und Töchtern in ihrem privaten und beruflichen Umfeld
- Sie macht sich über die Forschung zum Thema schlau
Das alles verbindet sie zu einer mehrteiligen Übersicht zum Thema.
Forschung
„Väterforschung“ gibt es erst seit relativ kurzer Zeit. Die ältesten Titel im Literaturverzeichnis stammen von 1993 … Selbst der Roman von R. Niederhauser, in dem ein Vater und dessen Alltag mit Kind das Thema ist, stammt von 1991. Vorher galt die Mutter als die wesentliche Bezugsperson. Für Töchter und Söhne.
In der Familie von Susann Sitzler gab es aber eben auch das Modell: Vater versorgt Tochter, als sie ein Baby ist. Aber auch das andere Extrem – der Vater geht eines Tages.
Das Verhältnis von Vätern und Töchtern ist besonders, denn der Vater ist der erste Mann im Leben der Tochter. Seine Art prägt – zumindest für sehr lange Zeit – ihr Bild von Mann und Männlichkeit.
Wie viele Menschen suchen in späteren Lebenspartner_innen das, was sie als Kinder im gegengeschlechtlichen Elternteil kennenlernten?
Pubertät
Väter und Töchter machen eben auch verschiedene Phasen durch – schließlich wird aus dem Baby ein Kind, eine Jugendliche, eine junge Frau. Und in jeder Phase muss sich das Verhältnis anpassen.
Susann Sitzler schildert sehr ausführlich, welche seelische Kraft es von Männern verlangt, wenn sie ihren Töchtern in der Pubertät immer weiter und immer anders ein guter Vater zu sein: Sparringspartner mit Respekt und der richtigen Mischung von Nähe und Distanz.
Anhand ihrer eigenen Geschichte zeigt Susann Sitzler auf, wie das laufen kann und auch wie es schief gehen kann.
Für mich war hier dieser Satz wichtig:
Aus Kinderperspektive ist es nicht möglich, sich innerlich von seinen Eltern zu lösen.
S. 268
Das mit der Kinderperspektive gilt ja auch für die Elternseite, die im eigenen Nachwuchs immer „das Kind“ sehen – und wenn es 50 ist …
„Väter und Töchter“ ist nicht nur ein Buch über diese auszubalancierende wichtige Beziehung im Leben, sondern auch ein Buch über die gesellschaftlichen Veränderungen – die, die stattgefunden haben und die, die nötig sind. Dafür sind dann immer wieder die Gespräche mit den – mehr oder weniger jungen – Vätern in ihrem Umfeld wichtig. Ihr Bild vom Vater-Sein unterscheidet sich von dem anderer Generationen. Es tut sich was!
Wie schreibt Susann Sitzler?
Ich mag ihren Stil. Sie ist sehr präzise in ihren Formulierungen, achtet auf eine inklusive Sprache und lässt immer wieder ihren Humor sehen.
Zum alten Rollenverständnis, in dem der Vater nur abends erscheint, um Küsse und Tadel zu verteilen, sagt sie:
Denn das Dasein auf dem Sockel, freiwillig oder nicht, bedeutete auch das Risiko, jederzeit davon heruntergestoßen zu werden. Das ist nicht gut fürs innere Gleichgewicht.
S. 47
Und? Hab ich nun was über „Vati“ und mich erfahren, was ich vorher nicht wusste? Nicht wirklich – bis auf diese Sache mit dem „immer mein Kind“-Sein, mit Betonung auf „Kind“ und was das mit dem Erwachsenenleben zu tun hat.
Susann Sitzler: Väter und Töchter, Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2021, ISBN: 9783608982206
Ach übrigens: Es gab immer wieder Stellen, an denen ich an Nora Hespers Buch denken musste; geht es da auch in erster Linie um den Großvater Theo Hespers, ist doch das Verhältnis zu ihrem Vater immens wichtig, denn er ist die Quelle ihres bewussten und unbewussten Wissens rund um den Großvater. Und das Verhältnis ist nun wirklich alles andere als unkompliziert …
Die Stadtbibliothek Köln hat das Buch im Bestand.
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