Und dann kamst du von Heike Abidi

Und dann kamst du von Heike Abidi

Ein neuer Roman von Heike Abidi – das verspricht seelenstreichelnde Lektüre. Denn die Romane meiner Namenscousine bieten erfahrungsgemäß Unterhaltung, Humor und immer auch ein bisschen Tiefgang.

Worum geht‘s in „Und dann kannst du“ von Heike Abidi?

Kurz gesagt um die Überwindung eines Verlusts. Die Protagonistin Claire hat einen sehr schlimmen Verlust erlitten: Ihr Zwillingsbruder Colin ist bei einem Surfunglück ums Leben gekommen. Nun muss Claire sich allein durchs Leben wurschteln. Wie mit Colin geplant, ist sie in die Universitätsstadt gezogen, um Medizin zu studieren. Denn schließlich wollten beide die Praxis der Eltern übernehmen. Doch noch hat das Semester nicht begonnen. Claire arbeitet als Servicekraft in einer Bar.

Auf dem nächtlichen Nachhauseweg passiert dann was: Sie sieht einen jungen Mann, der sie an Colin erinnert. Und spürt eine Verbindung. Es ist nicht Colin – natürlich nicht. Der junge Mann verlässt den Nachtbus und dabei vergisst er seinen Rucksack. Claire nimmt ihn an sich und sucht in dem spärlichen Inhalt nach Hinweisen auf seinen Besitzer. Die Suche nach Samuel wird zur fixen Idee. Und so peu à peu stellt Claire ihr Leben auf den Kopf und einige Pläne in Frage. Sie emanzipiert sich von ihrem toten Bruder.

Dass es ein Happy End gibt in „Und dann kamst du“ von Heike Abidi, versteht sich von selbst. Doch Claire ist das natürlich nicht so klar wie mir. Oft genug ist sie kurz davor aufzugeben. Doch immer wieder gibt es Hinweise auf Samuel, den sie in ihrem Tagebuch „Sam“ nennt. Und was heißt hier „ihr Tagebuch“? Es ist das von Samuel, in dem ein einziger Eintrag steht. Sie beginnt in dem Heft einen einseitigen Dialog mit ihm, wenn man das so ausdrücken darf.

Vektorgrafik zu Tage für Und dann kamst du von Heike Abidi
Manchmal hat Claire im Bus Tagebuch geschrieben – dann mag das so ausgesehen haben

Was macht „Und dann kamst du“ von Heike Abidi angenehm zu lesen?

Über den Stil von Heike Abidi habe ich im Laufe vieler Rezension schon einiges gesagt; das gilt auch hier. Sie schreibt einen lockeren, flüssigen Stil. Mir erscheint die Redeweise der sehr jungen Erwachsenen in diesem Buch – Claire und Colin hatten gerade erst Abitur gemacht – durchaus angemessen. Die tragische Ausgangssituation, ihren Zwillingsbruder verloren zu haben, bildet die Grundstimmung; Heike Abidi schildert die plötzlich aufkommenden Anfälle von Trauer und auch Wut sehr nachvollziehbar. Und auch die heiteren Szenen dürfen nicht fehlen.

Wenn ich kleinkariert an „Und dann kamst du“ von Heike Abidi herangehe, dann …

… kann ich ein paar Aspekte kritisieren.

  • Die 19-Jährige durchläuft innerhalb von fünf Monaten einen Trauerprozess, der bei den meisten Menschen deutlich länger dauert. Das ist der Lesbarkeit eines Buches für junge Erwachsene geschuldet und damit verständlich. Doch nimmt es die Geschichte als Ganzes in meinen Augen ein Teil ihrer Glaubwürdigkeit.
  • Claire begegnet in diesen fünf Monaten unterschiedlichen Menschen und lernt, dass die Fassade einiges andere verbergen kann, womit man nicht zurechnet. Das ist wahr. Doch erscheint mir die Häufung solcher Phänomene ein bisschen übertrieben. Mir ist das ein bisschen viel pädagogischer Zeigefinger.

Ansonsten habe ich das Buch, wie die meisten von Heike Abidi, die ich kenne, mit großem Vergnügen gelesen.

Heike Abidi: und dann kannst Du, Oetinger Taschenbuch, Hamburg, 2019, ISBN:978384150585

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

Bisher gibt es noch keine Kommentare

Einen Kommentar hinterlassen