Thema 1914: Tolkien und der erste Weltkrieg von John Garth

Thema 1914: Tolkien und der erste Weltkrieg von John Garth

Manchmal passen Lektüren einfach zueinander. Das Buch von John Garth ist natürlich in erster Linie eins darüber, wie der Große Krieg, wie der erste Weltkrieg in England und Frankreich genannt wird, die Mythologie von J. R. R. Tolkien beeinflusst hat.  Ich habe es aber quasi unmittelbar nach dem Kleinen Etymologicum von Kristin Kopf gelesen – und das hat sich als Glücksfall erwiesen, denn so konnte ich der Begeisterung des jungen J. R. R.  Tolkien viel besser folgen.

John Garth schildert, wie der Junge und junge Mann Tolkien sich mit Sprachgeschichte, mit Morphologie, mit Semantik und Lautverschiebungen befasst, bis dahin, dass er so um 1915 eine eigene Sprache  – Qenya – entwickelt. Es ist nicht seine erste, aber die am besten durchdachte und entwickelte, mit eigenen Lautgesetzen, mit Regeln und einer eigenen Entwicklungsgeschichte, analog zu dem, was zwischen Indogermanisch und Englisch liegt. Dazu liest er vorzugsweise alte, bis sehr alte Text; in seiner Prüfung etwas mit Shakespeare zu tun zu haben, ist ihm eindeutig zu modern … zu seiner Lieblingslektüre gehörte u. a. die finnische Sagenwelt, die im 19. Jahrhundert Elias Lönnrot als Kalevala zusammenstellte.

Angerthas mit Buchstaben
Schriftbeispiel aus Mittelerde -bearbeitet von Lómelinde (ebenfalls ein Name aus der Sprache von Mittelerde. Ein Beispiel dafür, wie detaliiert, eben wissenschaftlich, Tolkien die Sache anging.
John Garth folgt J. R.R. Tolkien den ganzen Weg über bis in den Krieg und darüber hinaus. Er schildert seinen Freundeskreis, deren Reaktionen auf seine ersten Schritte als Sprachschaffer und Autor. Erst gegen Ende seines Studiums findet Tolkien die ihm gemäße Form, die Verbindung von wissenschaftlicher Präzision mit seinem Faible für alte Geschichte, für Feen, Kobolde und Drachen – in der Erschaffung einer eigenen Mytholgie, verbunden mit der Sprache Qenya.

John Garth zeichnet weiter nach, wie die Erfahrung des Kriegs auf Tolkien wirkt und weist nach, dass die andere Welt, die Tolkien sich da erschafft, seine Reaktion auf die Erfahrungen des Großen Kriegs sind. Dabei nimmt er Bezug auf die Freundschaften, die sich aus der Schulzeit bis in die Nachkriegzeit halten, er zeichnet die Lektüre Tolkiens nach – alle Einflüsse, denen Tolkien von Jugend bis Kriesgende 1919 ausgesetzt war. Und erst hier – im zweiten Teil des Buches und nach rund 200 Seiten – gerät Tolkien selber ins Kriegsgeschehen, erlebt er das Frontgeschehen, Grabenkrieg, besonders die grausame, blutige Schlacht an der Somme.

Ein erhellendes Buch – mit Einblicken in die Kriegserlebnisse junger Engländer, die an anderen Stellen nicht so ausführlich dargestellt werden. Vielleicht eher was für Spezialisten – insgesamt aber ein gut lesbares, interessantes Buch.

John Garth: Tolkien und der erste Weltkrieg. Das Tor zu Mittelerde, übersetzt von Birgit Herden und Marcel Aubron-Bülles, Klett-Cotta Verlag, Stuttgart, 2014, ISBN: 9783408960594

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

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