München im Sommer 1914 – Angelika Felenda schickt Kommissär Sebastian Reitmeyer in einen komplizierten Fall, seinen ersten, wie der Untertitel verrät.
Fast wäre er Jurist geworden; nun arbeitet er bei der Kriminalpolizei und muss sich mit einer Leiche befassen. Als Leserin habe ich im Gegensatz zu Reitmeyer schon zuvor ein paar Impressionen serviert bekommen: Tagebucheintragungen und die Erlebnisse des Mannes, der ihn später als Leiche beschäftigen wird.
Der Kommissär arbeitet mit unterschiedlichen Kollegen zusammen: dem loyalen Steiger, dem von Sherlock Holmes inspirierten Polizeischüler Korbinian Rattler und dem brummigen Wachtmeister Brunner. Außedem sind da noch ein paar Vorgesetzte. Das mit den Vorgesetzten ist erwartungsgemäß die größte Schwierigkeit für einen selbständig denkenden Mann. Noch dazu im München von 1914. Noch dazu, wenn Militär in dem Fall eine Rolle spielt. Da dürfen die Polizisten nämlich rein gar nichts – wehe, ein schlechtes Licht fällt aufs Militär. Gerade in dieser Zeit. Nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand in Sarajevo wird immer wieder von Krieg gesprochen. Also gilt die Unantastbarkeit militärischer Personen in verschärfter Form.
Aber auch ein Privatleben hat der Kommissär: Er lebt seit dem Tod seiner Eltern mit seiner Tante zusammen, die ihn gern gut verheiratet wissen will – Hildegard heißt ihre für ihn Auserwählte.
Alte Freunde tauchen wieder auf: der Jurist Dr. Sepp Leitner, die Ärztin Dr. Caroline von Dohmbach und ihre Brüder Lukas und Franz.
Auf diesem Tableau hat Angelika Felenda nun ein Stück inszeniert, in dem es um Gier und Angst und um insgesamt rund ein halbes Dutzend Leichen geht. Ich will jetzt inhaltlich nicht zu viel verraten. Angelika Felenda lässt anhand des Krimigeschehens die Zeit im Sommer 1914 lebendig werden: Da gab es das Attentat und dann hat sich für die Bevölkerung erst einmal längere Zeit nichts getan, es gibt Diskussionen über einen dritten Balkankrieg, es gibt Versammlungen nationalistischer Verbände; Reitmeyer bekommt verschiedene Positionen mit, aber eine tragende Rollte spielt der drohende Krieg erst einmal nicht. Das ändert sich im Laufe der Ermittlungen schlagartig und Reitmeyer sieht sich auf einmal in einer sehr gefährlichen Situation. Das Zusammenspiel verschiedener Mächte und Kräfte mit dem Militär ist – schon damals – hoch brisant. Da kollidieren die poitisch motivierten Vorgaben der Vorgesetzten mit dem Drang nach Aufklärung.
Es ist ein handwerklich gut gearbeiteter Kriminalroman mit Zeitkolorit – ich bin gespannt, wie es mit Sebstian Reitmeyer und seinen Gefährten und Gefährtinnen weitergeht; schon vor oder erst nach 1918?
Angelika Felenda: Der eiserne Sommer, Suhrkamp Verlag, Berlin 2014, ISBN: 9783518465424
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