1963 hat Barbara Tuchman den Pulitzer-Preis für dieses Buch erhalten. Es wurde 1962 geschrieben und ist immer noch ein Klassiker, der in den Literaturverzeichnissen der aktuellen Titel zum Ersten Weltkrieg nach wie vor auftaucht. Ihre Darstellung beschränkt sich im Großen und Ganzen auf den ersten Kriegsmonat – und die Vorgeschichte. Sie schildert detailliert die Vorgänge auf den Regierungsetagen und in den Hauptquartieren – sie erzählt, wie es dort ablief. Auf dem Stand des Wissens von 1962 natürlich.
Nicht umsonst gilt Barbara Tuchman als die große Dame der erzählenden Geschichtsdarstellung. Ihr Text lässt sich trotz der Detailfülle gut lesen. Das ist wohl auch ihrer vorherigen Arbeit als Journalistin geschuldet. Es war ihr auf jeden Fall ein großes Anliegen:
The writer’s object is—or should be—to hold the reader’s attention. (Quelle: goodreads.com)
Erzählerisch ist der Einstieg ins Buch: Barbara Tuchman schildert das Begräbnis von König Edward VII mit dem Aufmarsch aller gekrönten Häupter und der Regierungschefs Europas und des Empire. Es liest sich wie der Anfang eines historischen Romans, die Personen werden vorgestellt.
Der nächste Abschnitt ist mit „Pläne“ überschrieben und in den vier Kapiteln geht es um v. a. militärische Pläne der vier großen europäischen Staaten: Deutschland, Frankreich, England und Russland.
Es folgt: „Kriegsausbruch“. Mit Schilderungen, wie der 1.August 1914 in Berlin, Paris und London erlebt wurde. Und mit der großen Hoffnung allüberall, der Krieg werde bald zu Ende sein.
Der Hauptteil dann schildert die ersten Kriegshandlungen. Die Suche nach der „Goeben“ im Mittelmeer, Westfront, Ostfront, Seekrieg – bis zum Beginn der Marneschlacht. Stratgeische Entscheidungen, der Ablauf von Kampfhandlungen, Gräueltaten, Zerstörung – der Brand von Löwen z. B. – und die Reaktionen der Kulturschaffenden auf die sich rasant verändernden Umstände. So schreibt Romain Rolland in deinem offenen Brief an Gerhart Hauptmann, mit dem ihn bis dato eine Freundschaft verband nach dem Brand von Löwen:
Stammt ihr von Goethe ab oder vom Hunnenkönig Attila? (Tuchman, S. 337)
Barabra Tuchman stellt die Auffassungen der Entscheidungstträger einander gegenüber und kommentiert. Die Auffassung, der Brand von Löwen, bei dem die reiche mittelalterliche Bibliothek der Universität verbrannte, sei das Werk von Barbaren, die etwas allgemein Geschätztes, Wertvolles aus Neid verbrennen, wie König Albert von Belgien das Ereignis einordnete, setzt die Autorin entgegen, dass
„der Kriegsbrauch im Landkrieg“ die bewußte Anwendung von Terror vorschreibt (Tuchman, S. 337)
Zuvor hat sie detailliert dargelegt, wie es zu dem Brand gekommen ist – er war als Abschreckungsmaßnahme gedacht. Mit dieser Darstellung unterschiedlicher Positionen umgeht sie die Gefahr einer monokausalen Schuldzuweisung.
Wer sich einen ersten Einstieg in das Thema erster Weltkreig verschaffen will, ist mit diesem Klassiker gut bedient, da sich das Buch flüssig lesen lässt. Aktuellere Forschungsergebnisse in manchen Bereichen kann man sich dann immer noch woanders besorgen.
Barbara Tuchman: August 1914, Fischer Verlage, Frankfurt am Main, 2013, übersetzt von Grete und Karl-Eberhard Felten, ISBN: 9783596197347
Birgit
16. Dezember 2013 at 12:28Danke für die Erinnerung an dieses Buch, das ich eilends wieder hervorholen werde nach der hervorragenden Besprechung hier!
Heike Baller
16. Dezember 2013 at 17:36So geht es mir auch oft – deshalb habe ich jetzt die Rubrik „noch mal aus dem Regal genommen“