Inhalt des Beitrags
Rebecca Gablé ist eine zuverlässige Autorin – sie hat einen neuen Waringham-Roman versprochen und ihn nun auch geliefert. Doch dieses Mal geht sie in der Zeit zurück – und zwar gehörig. Der erste Roman dieser Reihe „Das Lächeln der Fortuna“ spielt im 14. Jahrhundert – „Teufelskrone“ jedoch zum Wechsel vom 11. ins 12. Jahrhundert.
Was geschieht in Teufelskrone?
Was Waringhams halt so passiert: Sie geraten zwischen verschiedene Mühlräder, beweisen Loyalität, sind ehrlich, vorlaut, zuversichtlich und vertrauensselig. Zumindest, wenn es sich um den Protagonisten handelt. Yvein, ein jüngerer Waringham-Sohn, soll Templer werden, verbringt aber wegen eines „Geschenks“ von Prinz John – ja, der „Ohneland“ – die Nacht davor in einer Schenke mit einer Hure. Das wars dann mit dem keuschen Ritterorden. Letztlich landet er als Knappe bei John, muss dort die erste Nacht in der Oubliette verbringen und führt im Anschluss das übliche harte Knappenleben mit Ohrfeigen, blauen Flecken und Demütigungen. Ach ja, er kommt als unglücklich Liebender: Seine Ziehschwester, Vaters Mündel, soll seinen älteren Bruder Guillaume heiraten. Tut sie auch. Und Guillaume berichtet Yvein von der großen Liebe zwischen den Eheleuten.
Es wird Zeit für den Dauergegner: Ebenfalls als Knappe kommt Pentecôte FitzHugh an den Hof des Prinzen. Er nimmt die Nacht in der Oubliette so richtig krumm – vor allem wohl, weil Yvein, als Vollstrecker, ihm ermutigend zuraunt, wenn er still sei, sei es schnell vorbei. Hier hab ich ein Problem: Der Hass, den Pentecôte für Yvein empfindet, empfinde ich als ziemlich unmotiviert. Gut, eine mögliche Erklärung wird dann gegen Schluss der gut 900 Seiten genannt – Charakterschwäche, erblich bedingt.
Prinz John rebelliert gegen seinen Bruder Richard Löwenherz, unterwirft sich ihm und dient ihm treu. Als Richard kläglich am Wundbrand stirbt, setzt er den jüngeren Bruder anstelle des bisher bevorzugten Neffen Arthur als Thronfolger ein. Der nächste Zank ist programmiert. Überhaupt: Familienbande im Hause Plantagenet … Die Söhne haben sich gegen den Vater erhoben, der Bruder gegen den Bruder, der Neffe gegen den Onkel. Gut, dass es ein paar zuverlässige Bastarde in der Generation Johns gibt, die zu ihm stehen …
Yvein Waringham immer mittenmang. John treu ergeben, auch wenn er die Augen vor dessen Fehlern nicht verschliesst. Auf Ordre Johns heiratet er Beatriz, die Tochter einer Troubadiz – sie passen in ihrer Aufrichtigkeit gut zusammen und bekommen eine ganze Schar Kinder. Doch seine erste Liebe kann er natürlich nicht vergessen.
Den Ablauf der Jahre können Sie auch in jedem Buch über englische Geschichte nachlesen – doch Rebecca Gablés „Teufelskrone“ bietet einen intimen Einblick in die Zeit. In bewährter Manier 😉
Besonders spannend finde ich die Einblicke in die Rebellion, die zur Magna Charta führte – die Willkür Johns, der Hungertod eines seiner Barone, hat einen speziellen Artikel dort eingebracht: Adlige dürfen nicht „einfach so“ zu Kerkerhaft, Enteignung oder Ähnlichem verdonnert werden – es bedarf eines Gerichts aus „Peers“, also Gleichgestellten. Rebecca Gablé spricht diesen Artikel ihrem Helden Yvein zu, da er mit dem historisch verbürgten Adligen befreundet war.
John demonstriert Yvein dann in berüchtigt grausamer Manier, was bei der Magna Charta vergessen wurde: die Rechte der kleinen Leute …
Ach ja, noch ein Gedanke: „Teufelskrone“ spielt fast anderthalb Jahrhunderte von „Das Lächeln der Fortuna“ – da passt bestimmt noch eine Generation Waringham dazwischen, oder Frau Gablé?
Und natürlich musste ich in meinem kurzen Abriss eine Reihe Nebenhandlungen weglassen. Z. B. die Schwestern von Yvein. Oder die Geschichten um Guilluame. Nur so viel sei verraten: Es gibt an einer gefährlichen Stelle zum Glück eine Dea ex machina.
Gibt es einen Stil in „Teufelskrone“?
Nun ja, Rebecca Gablé hat halt ihre mitreißende Art des Erzählens 😉 In wohl abgewogenem Rhythmus verfolge ich Yveins Leben mit seinen Höhen und Tiefen. Immer wenn es ihm eine Weile gut geht, weiß ich, der Absturz ist nicht ferne. Gerade wenn es ihm körperllich elend geht, weil er verletzt oder eingesperrt wurde, ist das ausführlicher Beschreibung wert – seine Rekonvaleszenz erledigt die Autorin in kurzen Bemerkungen. Wenn man darauf achtet, ist schon klar, dass das nicht von heute auf morgen geht – doch der erzählte Text dazu ist weit kürzer. Erinnert mich sehr an Peter Wimseys Aussagen in „Mord braucht Reklame“, der auf die Abenteuergeschichten seines jugendlichen Helfers rekurriert:
In dem Sexton Blake (…) wird der Detektiv mit einem Bleirohr niedergeschlagen und sechs Stunden so zusammengeschnürt, daß (!) die Fesseln ihm das Fleisch bis auf die Knochen durchschneiden (…) In der 59. Minute der elften Stunden wird er (…) gerettet, nimmt sich gerade so viel Zeit, um ein paar Schinkenbrote zu vertilgen (…) und begibt sich sofort mit einem Flugzeug auf die Jagd nach den Mördern (…).
Dorothy L. Sayers: Mord braucht Reklame, Rowohlt, Reinbek, 1986, 349914951, S. 107f
Eins hat mich wirklich gestört: In „Teufelskrone“ spricht Rebecca Gablé von „Barons“ – im Nachwort erläutert sie warum. In „Von Ratlosen und Löwenherzen“ sind es noch die „Barone“ – doch sachlich sind deutsche Barone und englische Barons nicht vergleichbar. Das seh ich ja ein. Es liest sich trotzdem holperig.
Eine erfreuliche Entdeckung konnte ich machen in Bezug auf die Sexszenen – es wird nicht mehr gepflügt.
Ansonsten: Rebecca Gablé kann erzählen – u. a. auch, weil ihre Inhalte spannend sind. Ich kann nur wiederholen: Auch wenn ich das Muster kenne und teils schon vorwegnehmen kann, kann ich ein Buch von ihr nicht aus der Hand legen, bis ich es ausgelesen habe.
Warum Teufelskrone?
Das habe ich Rebecca Gablé jetzt nicht selbst gefragt, sondern mir eigene Gedanken gemacht. In deutschem Geschichtsunterricht wird Prinz, später König John nicht so ausführlich behandelt. In England gilt er in den Chroniken der nachfolgenden Zeit als Monster. In ihrem Sachbuch „Von Ratlosen und Löwenherzen“ von 2008 benutzt Rebecca Gablé genau diese Sicht auf John:
Doch John war ein verschlagenes kleines Ungeheuer und tat nichts, um seinen Vater zu unterstützen.
S. 89
Aber John gehörte wohl zu den Menschen, die einfach niemals zufrieden sein können und immer glauben, die Welt sei ihnen was schuldig.
(S. 94
(…) aber die englischen Lords – jetzt immer häufiger „Barone“ genannt – weigerten sich (…). Sie hatten die Nase gestrichen voll von John und seinen Verbrechermethoden.
S. 116
Auch Johns Frau kommt im Sachbuch nicht gut weg:
Isabella war ein richtiges Miststück.
S. 120
Ein solcher Blick auf John könnte aussagen, Teufelskrone bedeutet, dass eine Art menschlicher Teufel hier die Krone Englands erhalten hat. Dem würden einige der Kirchenmänner, die über ihn geschrieben haben, sicher zustimmen.
Doch im Roman selber wird John differenzierter gezeichnet. Sowohl er als auch Isabella bekommen einzelne positive Züge – sonst wäre Yveins Loyalität nun gar nicht zu ertragen, gelt? Und der alkoholabhängige König rät der Tochter Yveins einmal:
„Sollte irgendwer dir irgendwann eine Krone anbieten, lass sie liegen, Einhörnchen, sie bringt einem nichts als Verdruss ein.“
Teufelskrone, S. 614
Damit ist „Teufelskrone“ ein zweideutiger Begriff:
- ein Geschenk des Teufels
- die Krone, die ein Teufel in Menschengestalt trägt.
Rebecca Gablé hat wieder einen ihrer historischen Schmöker verfasst und neben dem Sog, den die Story an sich entfaltet, reizt mich an ihren Büchern ihre Kenntnis der Geschichte Englands. Nicht umsonst ist ihr Sachbuch eins der beliebtesten im Haus ?
Rebecca Gablé: Teufelskrone, Lübbe Ehrenwirth, Köln, 2019, ISBN: 9783785726600
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