Vom Cover des Buches, das der Kunsthistoriker Henry Keazor im Theiss Verlag veröffentlicht hat, schaut auf den ersten Blick eine dreiäugige Frau auf mich. Es handelt sich um ein Gemäldedetail, das die Übermahnung des einen Bildes durch eine Fälschung deutlich macht.
Gleich an dieser Stelle möchte ich auf einen Makel in dem sonst so ansprechend gestalteten Buch hinweisen: Obwohl das Papier nach meiner Laienmeinung dafür geeignet wäre, sind die Abbildungen im Inneren des Buches nicht farbig, sondern schwarz-weiß. Zum Teil mag das daran liegen, dass einzelne Artefakte, wie es den Bildunterschriften entnehmen ist, nicht mehr existieren oder unauffindbar sind, so dass man auf ältere fotografische Reproduktionen zurückgreifen muss. Doch es gibt auch Bilder, bei denen eine farbige Reproduktion möglich erscheint – ich finde schade, dass von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht wurde. Außerdem sind die Bilder – also die Reproduktionen von Gemälden und die Fotos von Artefakten – recht klein dargestellt; sie befinden sich in der Regel nur im oberen Drittel der Seite. Ja, ich weiß natürlich, dass Farbbilder teurer sind und das Buch damit zu teuer für den Buchhandel hätte werden können, doch nach dem tollen, großformatigen Cover war diese Entdeckung eine herbe Enttäuschung.
Doch genug gehadert – inhaltlich finde ich das Buch sehr gelungen. Henry Keazor schreibt bei aller Fachbezogenheit einen verständlichen Stil und spart zu gegebener Zeit auch nicht mit Anekdoten. So erzählt er in dem zum Coverbild gehörenden Kapitel „Barock“ tatsächlich die Handlung eines Krimis nach, um dann Fiktion und Realität miteinander vergleichen zu können.
Dass Kunstfälschungen keine marginale Angelegenheit im Kunstbetrieb sind, wurde uns Laien ja klar, als Wolfgang und Helene Beltracchi vor ein paar Jahren verurteilt wurden. Mit seinen Nachahmungskünsten hat Wolfgang Beltracchi jahrelang die Kunstwelt genarrt. Seine Kunstfertigkeit liefert die Folie dafür, dass Henry Keazor den technischen Fähigkeiten der von ihm vorgestellten Fälscher ein besonderes Augenmerk widmet. So erfahre ich einiges über Maltechniken, zu Fachbegriffen wie Pasticchio und über Maler, Kunsthändler, Biographen und Fälscher. Beltracchi kommt im Vorwort ausführllich vor und der Themenkomplex um ihn bildet auch den Abschluss der Darstellung – mit der provokanten Frage, ob mit Beltracchi das Ende der Kunstfälschung erreicht sein könnte.
„Fake“, „Hoax“ oder dem aus den beiden Begriffen neu entwickelten Phnänomen „Foax“ stellt Henry Keazor in seinem Vorwort ausführlich dar und kommt im Laufe seiner Darstellung immer wieder darauf zurück, um das jeweilige „Werk“ einzelner Fälscher einzuordnen.
Von Maltechniken oder gar den Bedingungen der Bildhauerei habe ich nur sehr wenig Ahnung, doch durch das Buch von Henry Keazor habe ich auf diesem Gebiet eine Menge gelernt. Und wie oben schon mal gesagt: Er schreibt gut 😉
Henry Keazor: Täuschend echt! Eine Geschichte der Kunstfälschung, Theiß Verlag, Darmstadt, 2015, ISBN: 973806230321
PS: In der Rezension zu Christine Vogeleys Buch „Die Liebe zu so ziemlich allem“ habe ich zwar an einer Stelle erwähnt, dass sich manchmal die Frage stelle, von wem welches Bild stamme – dass es sich dabei teilweise auch um Fälschungen handelt, habe ich dort verschwiegen …
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