Kennen Sie „Show, don’t tell“ als Schreibprinzip? Wenn nicht – und Sie lebendiger schreiben lernen wollen – ist das Buch von Simone Harland ein guter Einstieg in das Thema. Simone Harland zeigt anhand vieler Beispiele, wie dieses „fürs Kopfkino“-Schreiben funktioniert. Ihre allgemeinen Tipps sehen so aus:
- bildhaft zu zeigen, was passiert
- die verschiedenen Sinne anzusprechen
- für die Geschichte notwendige Hintergründe und Informationen so in die Handlung einzubauen, dass sie den Fluss der Geschichte nicht bremsen
- immer mal wieder auf die Kraft von Andeutungen zu vertrauen. (S. 7)
Dann geht Simone Harland hin und bringt Besipiele, die auch mir als Leserin direkt einleuchten. Verbunden immer mit der Aufforderung, es selbst auszuprobieren – ja, diese direkte Schreibweise will geübt sein.
Haben Sie schon mal überlegt, wie eine Autorin Sie in eine Geschichte hineinzieht? Wie sie Ihnen Gefühle nahebringt, die Ihnen sonst fern liegen? „Klar“, sagen Sie jetzt, „wenn sie gut erzählen kann, nimmt sie mich mit.“ Aber was gehört zum Gut-erzählen-Können?
Einer der berühmtesten Romananfänge in der englischen Literatur ist der von „Pride and Prejudice“ von Jane Austen:
It is a truth universally acknowledged, that a single man in possession of a good fortune, must be in want of a wife.
However little known the feelings or views of such a man may be on his first entering a neighbourhood, this truth is so well fixed in the minds of the surrounding families, that he is considered the rightful property of some one or other of their daughters.
“My dear Mr. Bennet,” said his lady to him one day, “have you heard that Netherfield Park is let at last?”
Mr. Bennet replied that he had not.
“But it is,” returned she; “for Mrs. Long has just been here, and she told me all about it.”
Mr. Bennet made no answer.
“Do you not want to know who has taken it?” cried his wife impatiently.
“You want to tell me, and I have no objection to hearing it.”
Die ersten beiden Sätze sind „Tell“ – sie stellen eine Behauptung auf. Was dann folgt – der Dialog von Mr. und Mrs. Bennet – ist „Show“ (und was für eine!): Der Charakter beider Figuren wird hier bereits deutlich (ich hab den Dialog hier gekürzt.) und das allein durch ihre Art zu sprechen oder zu schweigen.
Eins ist klar – und das sagen alle, die das Prinzip von „Show, don’t tell“ vermitteln: „Show“ braucht mehr Raum. Schließlich soll die Szene erlebbar sein – ich soll als Leserin mitempfinden, durch die Augen derer sehen, die da auftreten und mich mittendrin fühlen. Deshalb empfieht Simone Harland, sich genau zu überlegen, an welchen Stellen der Geschichte ein „Show“ notwendig ist. Wo es nötig ist, da sollte es dann auch richtig „zur Sache“ gehen, d. h. als Leserin sollte ich keine Chance mehr haben, dem Geschehen zu entwischen.
Ein Beispielkapitel aus dem Buch von Simone Harland
Alle Sinne anzusprechen ist ein gutes Mittel dazu:
- Was genau erleben die Figuren?
- Wie fühlt sich etwas an?
- Was hören sie, wenn sie auf der Straße oder in einem Raum sind?
- Wie riecht es dort?
- Was gibt es zu sehen?
Simone Harland geht den Möglichkeiten aller Sinne nach. Neben der Aufgabe, es selbst zu versuchen – mit Vorschlägen -, gibt sie aber auch Tipps, wo ich als Autorin Informationen herbekommen kann, die mir in meinem Alltag nicht einfach so begegnen. Wie ein auf den Boden aufschlagendes Buch klingt, kann ich ja tatsächlich – wie Simone Harland en detail aufführt – selbst ausprobieren, dabei mit Bucharten, Untergründen und Schwung experimentieren. Aber der Gesang exotischer Vögel? Die völlig unterschiedlichen Frequenzen verschiedener Hunde beim Bellen? Wie entwickelt sich ein Pinguinbaby? Wie sieht es aus, wenn eine Katze es mal nicht schafft, auf den Füßen zu landen? Youtube und andere Videokanäle oder auch Podcasts bieten dazu Informationsmöglichkeiten – so ein Video oder Podcast kann ich mir so oft anhören oder ansehen, bis mir völlig klar ist, wie etwas klingt oder aussieht.
Auch die Grenzen dieser Schreibmethode zeigt Simone Harland auf und gibt Tipps, wann und warum „Tell“ besser geeignet ist. Ein Rückblick muss nicht dieselbe Intensität haben wie das unmittelbare Ereignis – hier z. B. ist „Tell“ angesagt.
Insgesamt hat Simone Harland einen gut handhabbaren Ratgeber für alle geschrieben, deren Stil belebt werden will.
Simone Harland: Show, don’t tell – Schreiben fürs Kopfkino, Pegestorf, 2017, EAN: 9783739385020
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