Zugegeben, diese Graphic Novel ist mein erster Kontakt mit Yuval Noah Harari; aufgrund einer Empfehlung bei Twitter 😉
Worum geht es?
Um die Entwicklung des Homo Sapiens und wie er es geschafft hat, von der Savanne Afrikas aus die Welt zu besiedeln. Dabei spielen aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse eine große Rolle.
Als Graphic Novel gehören lange Bleiwüsten natürlich nicht zum Gestaltungsprinzip. Deshalb unterhalten sich hier verschiedene Leute zum Thema:
- der Historiker Yuval Noah Harari selbst
- seine Nichte Zoe
- die Biologin Professorin Saraswati (so heißt auch eine indische Gottheit der Klugheit)
- der Kommunikationswissenschaftler Professor Dunbar
- Professorin Yoshita, Anthropologin und Moderatorin einer Konferenz
- der Archäologe Dr. Pater Klüg (der Name spricht für sich, oder?)
- die Anthropologin Dr. Duarte
- die Kriminalbeamtin Detective Lopez
Sie alle beleuchten in Gesprächen, Vorträgen und Diskussionen verschiedene Aspekte, die bei der Entwicklung des Homo Sapiens – hier immer nur kurz Sapiens genannt – eine Rolle gespielt haben. Dabei haben sie sich häufig gegenseitig bestärkt.
Was mir so an Einzelheiten aufgefallen ist
Am gelungensten finde ich die Szene, in der Duarte, Harari, Klüg, Saraswati und Yoshita in den gemeinsamen Ruf „die ersten Wohlstandsgesellschaften“ ausbrechen, nachdem sie zuvor das Leben, die Ernährung und die Lebenserwartung der frühen Wildbeutergesellschaften analysiert haben.
Gerade bei Diskussionsrunden kommen auch andere Menschen zu Wort, die den Erkenntnissen skeptisch gegenüber stehen – und den Fachleuten deshalb die Möglichkeit bieten, alles auf einleuchtende Weise dazulegen.
Wichtig ist Yuval Harari dabei die Klarlegung, dass viele „Erkenntnisse“ sehr spekulativ sind. Besonders deutlich wird das in den Gesprächen mit Dr. Pater Klüg, denn der befasst sich mit sozialen und „geistigen“ Erkenntnissen zu den alten Gesellschaften – wir kennen sie unter „Jäger und Sammler“, der aktuelle Begriff bei Yuval Noah Harari ist „Wildbeutergesellschaften“.
Die beteiligten Figuren haben immer einen menschlichen Aspekt; Professorin Saraswati hat immer ihren Hund dabei und zeigt bei einem Vortrag mal eine falsche Folie – vom Geburtstag dieses ständigen Begleiters. Professor Dunbar trinkt gern einen Wein – zu viel. Detective Lopez hat sich das Rauchen abgewöhnt und kaut auf einer Lakritzstange rum.
Yuval Noah Harari nimmt die große Perspektive in den Blick:
Was hat die Entwicklung von Sapiens gefördert – bis heute
Was hat sie in der Umwelt angerichtet – bis heute.
Er ist halt Historiker 😉 .
Für mich sehr spannend war der Vergleich der Wildbeutergesellschaften mit den nachfolgenden bäuerlichen Gesellschaften. Von der Schule her habe ich noch im Kopf, dass der Wechsel als Fortschritt galt. Yuval Noah Harari und die anderen sehen das anders. Nomadisierende Wildbeutergesellschaften mussten sehr viel über Wetter, Tiere, Landschaft, also ihre Umwelt und über handwerkliche Sachen – Werkzeug und Kleidung herstellen – wissen, um so zu leben, wie sie lebten. Und zwar alle – nicht nur einige. Die Arbeitsteilung vermehrt zwar das Wissen der Menschheit als Ganze, das einzelne Individuum weiß aber weniger als die Menschen damals, so die einhellige Meinung von Harari und seinen Kolleg:innen. Ihre Nahrunspalette war vielfältig – die der Bauern einseitig, Ihr Arbeitsaufwand für Jagd und Sammeln war gering. Deshalb ja dieser von mir schon zitierte Ausruf, sie seien die ersten Wohlstandsgesellschaften gewesen. Eine spannende Ansicht.
Yuval Harari, Daniel Casanave und David Vandermeulen: Sapiens – der Aufstieg, übersetzt von Andreas Wirthensohn, C. H. Beck Verlag, München 2020, ISBN: 9783406758935
Die Stadtbibliothek Köln hat das Buch im Bestand.
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