Inhalt des Beitrags
Unter dem Kürzel S. Wörishöffer habe ich die Bekanntschaft dieser produktiven Autorin gemacht: „Kreuz und quer durch Indien – Abenteuer zweier Jungen“ hieß die Ausgabe, die mir ein Kollege meines Vaters schenkte – aus seiner unmittelbar nach der Kriegszeit angelegten Kinderbibliothek. Der Eintrag: sein Name und „Nr. 12“ steht noch immer in Bleistift auf dem Vorsatzblatt.
„Published under Military Government Information Control License“ heißt es im Impressum. Das hat mich als Kind nicht interessiert. Auch nicht, wer das denn war mit dieser Geschichte, die ich im Laufe meines Kinder- und Jugendlebens wirklich x-mal gelesen habe.
S. Wörishöffer = Sophie Wörishöffer
Sophie Wörishöffer war früh verwitwet, nach nur vier Jahren Ehe. Um den später geborenen unehelichen Sohn und sich selber zu erhalten, schrieb sie. Und sie schrieb viel. Erst für Zeitungen, dann Bücher. Ihr erstes Abenteuerbuch war im Grunde eine Bearbeitung – vom Schiffsjungen Robert. Laut Wikipedia war es bereits ein paar Jahre zuvor erschienen. 1877 erschien es neu als Buch von S. Wörishöffer – und war sehr erfolgreich. Von nun an schrieb sie Abenteuerbücher für, na, meistens eben Jungen. Wie in meinem Lieblingsbuch „Kreuz und quer durch Indien“ waren es ein oder mehrere Jugendliche als Protagonisten, die in fernen Ländern – Kolonalzeit! – Abenteuer erlebten. S. Wörishöffer pflegte dann landeskundliche oder naturwissenschaftliche Informationen darin zu verpacken. Nicht nur Unterhaltung, auch Bildung war ihr Ziel. Deshalb waren ihr Bücher offenbar auch bei bürgerlichen Etern sehr beliebt.
Natürlich ist für uns heute vieles von dem, was sie über Einheimische sagt, nackter Rassismus. Ihre Informationen bezog sie aus Reisebeschreibungen und anderen Publikationen. Die Auffassungen ihrer Zeit spiegelen sich in den Texten. Das muss man wisssen, bevor man sich an die Lektüre macht.
„Kreuz und quer durch Indien“ – mein Buch der Autorin
Ich habe dieses Buch geliebt. Und jedes Mal, wirklich jedes einzige Mal, war ich in Tränen aufgelöst – entweder beim Tod Hondins oder beim Abschied von Dschumbo. Auch als Teenager noch. Ich erinnere mich, dass ich gerade zu Ende gelesen hatte, Rotz und Wasser heulend, als meine Mutter von der Arbeit kam. „Kind, was ist passiert?!“ Panik in der Stimme. Nach einer verheulten Erklärung „Ach, nur ein Buch.“ Ein paar Wochen später – ich habe es wirklich eine Zeitlang ständig gelesen – das gleiche Spiel. Beim dritten Mal rief meine Mutter nur verärgert: „Liest du schon wieder dieses blöde Buch?“ Tja …
Ursprünglich lautet der Untertitel „Abenteuer zweier Leichtmatrosen“ – da sich die beiden aber vor allem an Land bewegen, war die Änderung kein Problem.
Worum es geht? Der Schiffsjunge Richard geht in Bombay (sic!) an Land, schaut sich um und entdeckt im Hafen auf einem Schiff einen gefangenen jungen Landsmann, den er befreit. So verpasst er aber sein Schiff … Nun sind die beiden, Richard und Oskar, auf sich gestellt und schließen sich einer Gauklertruppe an, die quer durchs Land zieht – Tippu, der Schlangenbändiger bietet an, sie als Hilfskräfte zu nehmen und bis Madras zu bringen. Es ist eine lange Reise mit vielen Abenteuern. Der netteste in der Truppe ist Hondin, dem der Elefant Dschumbo gehört. Auf seinem Rücken durchqueren sie den Dschungel. Doch Tippu und Hondin haben ein schreckliches Geheimnis …
Neben den Abenteuern berichtet S. Wörishöffer viel über die Tier- und Pflanzenwelt. Tippu versteht sich auch aufs Heilen, und lässt sich dafür gut bezahlen. So fließen die Informationen einfach in die Geschichte ein.
Meine Lesung von S. Wörishöffer
Nun sollte man meinen, ich würde aus meinem Lieblingsbuch lesen. Doch zufällig kam ich über einen anderen Text von S. Wörishöffer – ein „Märchen“ aus dem Band mit Robert dem Schiffsjungen. Und da ich auf meinem Kanal Lyrik und Märchen vortrage, erschien mir der Text besser geeignet. Wenn ich bei einer erneuten Lektüre von „Kreuz und quer durch Indien“ (falls sich es noch mal wage …) ein Märchen oder was Märchenähnliches entdecke, bringe ich es auch zu Gehör – doch jetzt gibt es auf meinem Youtube-Kanal erst einmal das Märchen von der Entstehung Norwegens. Oder hier:
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