Nur über seine Leiche von Brenda Strohmaier

Nur über seine Leiche von Brenda Strohmaier

Nein, Brenda Strohmaier hat keinen Krimi geschrieben!

Der Untertitel verrät, worum es geht: „Wie ich meinen Mann verlor – und verdammt viel übers Leben lernte“.

Worum geht es in dem Buch?

Brenda Strohmaier ist Mitte 40, recht frisch verheiratet mit dem Mann, den sie liebt – und wird Witwe.

Trotz ihres Alters nicht ganz überraschend, denn ihr Mann war schon lange krank – doch er hätte noch länger leben können.

Doch um seinen Tod geht es nicht – es geht um ihr Leben danach. Als Witwe. Das Wort zelebriert sie fast, gern in der englischen Version – sie sprich von sich eine Zeitlang als „Wonder Widow“. Später macht ihr eine andere Witwe Freude – mit einem perlenden Produkt, von besagter Witwe im 19. Jahrhundert entwickelt und vertrieben: Veuve Cliquot.

Weil sie so viel gelernt hat, heißen die Kapitel „Lektionen“ – und da begleite ich sie als Leserin vom Sterbebett ihres Mannes auf den verschiedenen Stationen:

  • Weltreise
  • Verwaltungskram
  • Wohnungsauflösung
  • Yoga-Studios
  • durchgequatschte und durchzechte Nächte
  • zu Gesprächen mit verschiedenen Fachleuten
  • die ersten Dates und die erste Affäre als Witwe
  • Ratgeber, wie Witwen zu behandeln seien – nicht streicheln, aber füttern

Das mit den Fachgesprächen passt zu ihrem Beruf: Brenda Strohmaier ist Journalistin, schreibt u. a. Kolumnen. Und je mehr Fachleute sie spricht, desto mehr mutiert das Buch von einem Erlebnisbericht zu einem Ratgeber.

Außerdem gibt es ein paar kulturgeschichtliche Ausblicke – wie erging es Witwen früher, wie ergeht es ihnen anderswo.

Im Großen und Ganzen eine gelungene Mischung.

The Dowager Electress Palatine in mourning -Frau in langem, weitem, schwarzem Gewand, mit schwarzem Schleier neben einem Tisch mit blau gemusterter Decke
So läuft heute keine Witwe mehr rum – aber das trauerjahr hat auch Platz im Buch von Brenda Strohmaier

Wie schreibt Brenda Strohmaier?

Als Kolumnistin – wie selber sagt „schnoddrig-exhibitionistisch“:

Wenn ich mein Leben und das Sterben von Volker hier so schnoddrig-exhibitionistisch ausbreite, dann vor allem, weil ich hoffe, dass sich andere Trauernde davon ermutigt fühlen, sich von zwickenden Konventionen zu befreien.

S. 195

Sie hat also eine richtige Mission 😉

Ihre Sätze sind pointiert, ihre Bilder teilweise sehr witzig. Und die Haltung dahinter – tja, da sagt ihr eine Trauerbegleiterin mal, dass ihr das Buch, das sie vorab lesen konnte, zu sehr in Dur gehalten sei – schließlich sei nicht alles lustig gewesen, was der Witwe in ihrer Witwenschaft so begegnet sei. (S. 206). Damit stimme ich überein.

Als Nicht-Betroffene kann ich das ja alles goutieren – wäre ich in der Situation, würde mich der Stil wohl nerven. Vielleicht ist es ein Buch, dass mensch so lesen soll und kann, wie ich jetzt, und im worst case mit ein paar Erinnerungen daran die Lage, verwitwet zu sein, ein bisschen unkonventioneller und informierter angeht. Who knows.

Brenda Strohmaier: Nur über seine Leiche. Wie ich meinen Mann – und verdammt viel übers Leben lernte, Penguin Verlag, München, 2019, ISBN: 9783641224646

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

Bisher gibt es noch keine Kommentare

Einen Kommentar hinterlassen