Love and Friendship von Jane Austen – deutsch

Love and Friendship von Jane Austen – deutsch

Ha – da hatte ich mich doch nicht getäuscht, als meine erste Assoziation zum Film „Love & Friendship“ der Satz war: „Wir fielen abwechselnd auf dem Sofa in Ohnmacht.“ Er stammt nämlich nicht aus dem Buch „Lady Susan“, das die Vorlage für den Film abgibt, sondern aus den Jugendwerk „Love and Friendship“, auf Deutsch „Liebe und Freundschaft“, von Jane Austen.

Auch hierbei handelt es sich – angeblich – um einen Briefroman. Doch was ist das für ein Briefroman? Es gibt nur eine Schreiberin. Nur der allererste Brief stammt nicht von Laura; in ihm bittet Isabella ihre Freundin Laura ihrer Tochter Marianne aus ihrem Leben zu erzählen. Nachdem Laura diesem zweiten Brief dies zugesichert hat, folgen nun die Briefe Lauras an Marianne. Völlig von sich selbst überzeugt schildert Laura nun Ereignisse, die sich in ihrer Jugend zugetragen haben – was für eine Farce. Jane Austen überspitzt in diesen Briefen jedes romanhafte Klischee, dass in zeitgenössischen Romanen genutzt wurde:

  • das empfindsame junge Mädchen
  • der empfindsame junge Mann
  • Widerstand gegen elterliche Autorität in Ehedingen
  • aufopferungsbereite Freundschaft
  • unerwartetes Auftauchen reicher Verwandter
  • usw., usw.

Das empfindsame junge Mädchen in den Briefen war Laura in ihren jungen Jahren, doch außer, dass sie ihre Empfindsamkeit verbal betont, ist sie alles andere als empfindsam. Ähnlich wie Lady Susan handelt es sich um ein völlig egoistisches und amoralisches Geschöpf. Jane Austen setzt genussvoll alle oben genannten Elemente und noch einige mehr in so gehäufter Form ein, dass eine überstürzt hastige Abfolge unglaubwürdiger Ereignisse dazu führen, dass Laura als junge Witwe mit 400 £ pro Jahr in der Einsamkeit lebt.

Ein paar Kostproben gefällig?

  • Ein junger unbekannter Mann kommt auf der Flucht vor seinem Vater zufällig in das Haus von Lauras Familie; Liebe auf den ersten Blick zwischen den jungen Leuten und Eheschließung durch Lauras Vater, der zur Theologie studiert hat, doch nicht ordiniert war.
  • Das junge Paar reist – mit kurzer Station bei einer Tante des jungen Mannes – zu einem Freund, der ebenfalls ohne väterlichen Segen geheiratet hat. Zum Lebensunterhalt dienen ihm, seiner Frau und dem angereisten Pärchen die Geldscheine, die er aus dem Schreibtisch des Vaters entwendet hat.
  • Die Schulden des gastgebenden Pärchen sind so immens, dass der junge Mann in Schuldhaft genommen wird. Sein Freund reist ihm nach. Die beiden jungen Frauen machen sich auf den Weg nach Norden, um Verwandte zu besuchen. Zufällig begegnet Laura in einer Gaststätte ihrem Großvater, der auch der ihrer Freundin ist, mit der sie im Gasthaus abgestiegen ist. Außerdem tauchen zwei junge Cousins auf. Das Geld, dass der Großvater den vier jungen Leuten gab, entwenden die jungen Männer den jungen Frauen und verschwinden.
  • Der Verwandtschaftsbesuch erweist sich als nicht erfreulich, die jungen Frauen machen sich wieder auf den Weg, rasten an einem See und jammern. Ein vorbeifahrender Wagen verunglückt direkt neben ihnen. Die beiden darin befindlichen jungen Männer sind die Männer von Laura und ihrer Freundin, doch überleben sie das Unglück nicht.
  • Die Freundin hat sich verkühlt und verscheidet kurz darauf. Bei einer nächtlichen Kutschfahrt begegnet Laura lieben Verwandten – auch den beiden Cousins aus aus dem Gasthof –, erhält die Zusage für die 400 £ pro Jahr und damit ist die Geschichte aus.

Ähnlich wie Lady Susan ist Laura also völlig amoralisch – doch im Gegensatz zu dem längeren Werk setzt Jane Austen hier nur auf Parodie und Spaß.

Letter from Jane Austen to her sister Cassandra, 1799 June 11. Page 4 (NLA)
Brief von Jane Austen an ihre Schwester Cassandra, 11.6.1799, also nah an der Zeit ihrer Jugendwerke; besonders hübsch der Satz: „Dr. Gardiner was married yesterday to Mrs. Percy and her three daughters.“
Was ich allerdings nicht verstehe, ist die Betitelung des Films, der auf „Lady Susan“ beruht, mit dem Titel des satirischen Frühwerks. Sollte mal jemand auf die Idee kommen, diese Parodie verfilmen zu wollen – welchen Titel nimmt man dann? Einen aus der vielen anderen Frühwerken von Jane Austen?

Ich habe diese Satire in meinem guten alten Reclambändchen „Jane Austen“ von Christian Grawe – es handelt sich um eine frühere Version von „Darling Jane“. Und ich habe seit einiger Zeit die anderen Juvenilia von Jane Austen  – „Die schöne Cassandra“ – hier liegen – ebenfalls von Christian Grawe übersetzt und herausgegeben – ich freu mich schon drauf.

Christian Grawe: Jane Austen. Mit einer Auswahl von Briefen, Dokumenten und nachgelassenen Werken, Reclam Verlag, Stuttgart, 1988, ISBN: 3150085063

Dieser Beitrag gehört in meine Reihe zum 200. Todestag von Jane Austen im Juli „Beloved Jane“

Darling Jane“ gibt es in der Stadtbibliothek Köln.

Ebenso den Band mit den Frühwerken von Jane Austen: Die schöne Cassandra

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

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