Inhalt des Beitrags
Hätten Sie’s gewusst? „Literaturstadt Utrecht“ ist nicht einfach ein Titel, den sich die Stadt selber verliehen hat, sondern offiziell von der UNESCO vergeben. Und ich habe ein bisschen davon erleben können, als ich ein paar Tage dort war.
Die Reihenfolge ist chronologisch – mein persönliches Highlight kommt am Schluss 😉
Literaturfestival
Wir kamen an einem Sonntag an und als erstes sahen wir ein „Literatuur“-Boot für eine Fahrt durch die Grachten. Direkt am Theater. Dort war auch groß Action: Im einem Container wurden offensichtlich Appetithäppchen der neuen Theaterproduktionen geboten (ich kann leider kein Niederländisch).
Ja, an dem Wochenende gab es noch mehr Festivalteile – aber Literatur nimmt da schon einen großen Platz ein.
Stadtbibliothek
Die Stadtbibliothek in Utrecht ist im ehemaligen Post- und Telegrafenamt untergebracht – mit einer Wahnsinnshalle. Der Bau entstand 1919 bis 1924 und gehört zu den denkmalgeschützten Rijksmonumenten der Niederlande.
Die Riesenhalle ist der zentrale Ort – und ziemlich leer. Dort gibt es Sitzmöglichkeiten und einen Infopoint – die nette Dame dort kam noch extra mit ein paar Infos zu mir, als sie mein Interesse bemerkte. Wenn es, wie an dem Sonntag, als ich dort war, recht leer ist, kann man sich schon ziemlich klein fühlen.


Beeindruckend sind die Riesenstatuen. Es sei Blaustein, steht in den Informationen und die Figuren repräsentieren die Kontinente. In der oberen Etage kann man zwischen so kleinen, kompakten Säulen aus dem Blaustein hinunter in die Halle schauen.
Der Rundgang oben um die Halle bietet bereits eine große Anzahl an Literatur. Es gibt aber auch einzelne „Bibliotheken“ in Extra-Räumen. Z. B. die Kinderbibliothek. Hell und freundlich und mit einer Miffy-Statue und einem großen Bücherhaus.


Wie üblich, wenn ich mit anderen unterwegs bin, konnte ich jetzt nicht so ewig Zeit dort verbringen. Beeindruckend war diese Zentralbibliothek auf jeden Fall.
Ach ja. die Löwen am Eingang grüßen herzlich die von Public Library in New York 😉

Nicht nur Literaturstadt Utrecht – auch Lyrikstadt!
Am Anfang fand ich es ja nur irgendwie nett – immer wieder gibt es Lyrik an den Hauswänden.
Wie gesagt, kann ich leider kein Niederländisch, deshalb ist dieses Beispiel hier vor allem wegen der Inszenierung mit in meine Sammlung gekommen.

Hinter dem Kulturzentrum Parnassos gibt es einen verwunschenen winzig kleinen Park – Tivolituin. Freiwillige sorgen dafür, dass nicht alles überwuchert oder vertrocknet. Und immer wieder stehen dort große Stelen mit Gedichten. Das hier habe ich auch fast verstanden und finde es wunderschön.

Noch mehr Lyrik
Mein absolutes Highlight war allerdings, als ich das Projekt „De Letters van Utrecht“ entdeckte. Mehr so zufällig. Wir schlenderten an der Oude Gracht entlang und plötzlich fiel mir auf, dass an der Grenze zwischen Fußgänger*innenbereich und Straße Buchstaben waren.

Bei näherer Betrachtung ergaben sich Wörter. Es fanden sich Nummern auf den kleinen Steinen und ab und an tauchte eine Jahreszahl auf.
Ein junger Mann saß auf einer Fensterbank und spielte was – den hab ich einfach mal gefragt. Und er hat mir das dann erklärt:
Jeden Samstag gibt es einen neuen Stein – entweder einen Buchstaben oder ein „Leerzeichen“. Also 52 Steine pro Jahr. Der Text entsteht nach und nach – Dichter*innen spenden Zeilen. Die gehören der Stadtdichtergilde an. Utrechter*innen spenden die Steine – für Passant*innen unsichtbar auf der Rückseite jedes Steins steht, wer ihn bezahlt hat. Immer nach 52 Steinen gibt es die Jahreszahl. 2012 fing das an – allerdings mit einer Rückdatierung zum Jahr 2000; man verlegte im Juni 2012 also nicht nur einen Stein, sondern gleich über 600. Das Gedicht ist ein offenes Kunstwerk, in mehrerlei Hinsicht. Drei Jahre für einen „normalen Satz“ muss man schon einrechnen. Und jedes Jahr wächst das Projekt um gerade mal 5 Meter. Für die geplante Länge – mindestens die Oude Gracht einmal rauf und runter, sind mehr Jahre zu veranschlagen, als die Dichter*innen leben werden, deren Zeilen hier erscheinen.


Dieses Projekt gehört zu den Kunstprojekten, die auf Dauer angelegt sind, wie die Aufführung eines Orgelstücks von John Cage in Halberstadt – rund 650 Jahre sind dafür eingeplant.
Bisher gibt es noch keine Kommentare