Jane Austens Geheimnis von Charlie Lovett

Jane Austens Geheimnis von Charlie Lovett

Bei dem Cover und überhaupt nach meiner Lektüreerfahrung mit Jane-Austen-Nachfolge- oder -Ergänzungsbänden erwartete ich eine Frau als Autorin – nix, da, Charlie Lovett ist Antiquar und tatsächlich männlich 😉 Sein Beruf spielt im vorliegenden Roman auch eine Rolle. Fazit gleich vorweg – es war eine Freude!

Der Klappentext ist zwar nicht falsch – aber sehr sehr irreführend! Denn obwohl Sophie Collingwood tatsächlich in einem Buchantiquariat arbeitet, ist das nicht ihre Haupteigenschaft. Eher eine Verlegenheitslösung, nachdem ihr nach dem Tod ihres geliebten Onkels Bertram zwar dessen Wohnung, aber nicht seine geliebte Büchersammlung zufiel. Als die im Klappentext erwähnte Suche nach dem obskuren Band beginnt, habe ich Sophie und ihre Familie bereits gut kennengelernt:

Braunschweig Brunswick Burgplatz-Antiquar offen (2008)
Dieses Antiquariat – das kleinste in Deutschland – hätte Onkel Bertram sicher auch gefallen.
Sie ist eine Bibliophilin, die aus einer Familie ohne Buchverständnis stammt – Onkel Bertram als Ausnahmeerscheinung im Familienkreis war der Schlüssel zu ihrer Bücherliebe. Die Familienbibliothek im Elternhaus darf nicht verkauft werden und Sophie durfte nie ein Buch daraus lesen. Onkel Bertram durfte nach einer Vereinbarung zwischen ihm und seinem Bruder jedes Jahr zu Weihnachten ein Buch entnehmen – ein kleiner Teil seiner Buchsammlung, in die er seine Nichte behutsam einführt. In Rückblenden erzählt Charlie Lovett von dieser bücher- und literaturliebenden Beziehung zwischen Onkel und Nichte; wie er das Kind vorsichtig an Bücher heranführt, ihr alles zu lesen erlaubt, was sie interessiert, ihr vorliest, mit ihr Buchauktionen aufsucht, literarische Kriterien mit ihr diskutiert und sie in die Welt der Buchantiquariate und -Second-Hand-Händler einführt.

Sophie liebt besonders die Bücher von Jane Austen und regt sich an einem Abend in Oxford über den Kommentar eines Unbekannten auf, der eine Äußerung über „Mansfield Park“ von ihr nachäfft. Die beiden begegnen sich wieder und wie sich herausstellt, hat der junge Amerikaner Eric Hall Ahnung von Jane Austen. Hier bahnt sich was an, oder? Vielleicht.

Nach einem Wochenende bei den Eltern kommt die erschütternde Nachricht: Onkel Bertram ist eine Treppe hinuntergestürzt und hat sich das Genick gebrochen.Als Sophie die ererbte Wohnung des Onkels bezieht, muss sie feststellen, dass ihr Vater, zur Begleichung von Bertrams Schulden, die gesamte Bücher-Sammlung verkauft hat. Bei einem Freund von Bertram, einem Antiquar, sucht Sophie Hilfe und bekommt einen Job bei ihm.

Danach beginnt dann die Handlung, die im Klappentext angedeutet wird – mit Krimielementen.

Es gibt aber noch eine zweite Ebene – die Zeit von Jane Austen und zwar die Jahre 1796 bis zu ihrem Tod. Ihre Freundschaft mit einem alten Geistlichen, der rege Gedankenaustausch mit ihm, ihre schriftstellerischen Versuche und Fortschritte in dieser Zeit, ihre späteren Erfolge, kurz ein Abriss ihres Lebens mit fiktiven Elementen angereichert. Charlie Lovett schafft es trotz der recht modernen Sprache in diesen Passagen ein Flair der Zeit um 1800 zu schaffen und den Alltag lebendig zu machen.

Beide Ebenen haben natürlich was miteinander zu tun – dazu schreibe ich aber nicht mehr – ich will Ihnen ja nicht die Spannung nehmen.

Bundesarchiv Bild 183-27924-0001, MTS Magdeburg-Südwest, Setzen einer Dorfzeitung
Die Arbeit des Setzers hatte sich über Jahrhunderte nicht so sehr verändert – es galt in Spiegelschrift einen Text in einzelnen Buchstaben zu setzen. Bundesarchiv, Bild 183-27924-0001 / CC-BY-SA 3.0, Bundesarchiv Bild 183-27924-0001, MTS Magdeburg-Südwest, Setzen einer Dorfzeitung, CC BY-SA 3.0 DE
Durch Onkel Bertram und zwei weitere Figuren – eine in unserer Gegenwart, eine um 1800 lebend – bringt Charlie Lovett Informationen über die Technik und die Kunst des Buchdruckens unter, die ein guter Antiquar oder Büchersammler wissen muss, um ein Werk beurteilen zu können, das mindestesn 200 Jahre alt ist und aus einer kleinen Druckerei mit „eigener Handschrift“ stammt. Ich fand das sehr informativ – und dabei sind diese Wissenshappen organisch mit der Geschichte, bzw. den Geschichten verwoben.

Ich habe „Jane Austens Geheimnis“ (im englischen Original „First Impressions“ – kleiner Hinweis für Jane-Austens-Fans mit Interesse an der Entstehungsgeschichte ihrer Bücher) mit großer Freude gelesen.

Charlie Lovett: Jane Austens Geheimnis, übersetzt von Ulrike Laszlo, Goldmann Verlag, München, 2014, ISBN: 9783442484041

Die Besprechung gehört in meine Reihe „Beloved Jane“ zum 200 Todestag von Jane Austen am 18.7.2017.

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

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