„Eine Entdeckungsreise durch ihre Welt“ ist der nette Untertitel des Buchs von Holly Ivins. Der Originaltitel des Büchleins ist bei weitem weniger zahm: „The Jane Austen Pocket Bible“ – das wummst ganz anders.
Die ersten drei Abschnite befassen sich mit Janes Leben und der Gesellschaft mit ihren Regeln, die ihre Umwelt bildete. Dazu gehören dann z. B. Anmerkungen zum Rang von Persönlichkeiten – und da Jane Austen über die Gesellschaft schrieb, in der sie lebte und die sie kannte, gelten diese Regeln sowohl für Realität wie Fiktion:
- Wie betritt eine Gruppe von Menschen den Raum? Die vornehmste Person geht voran. In der Familie geht es nach Alter und Status – Holly Ivins bringt das Beispiel von Lydia aus „Stolz und Vorurteil“ die sich freut, Janes Platz einnehmen zu können, da sie nun verheiratet ist.
- Die Anrede sagt viel über den Status einer Person aus – nur Vornamen als Anrede werden außerhalb der Familie selten genutzt, wenn dann nur von der ranghöheren gegegnüber der rangniedrigeren Person – z. B. Emma Woodhouse und Harriet Smith.
Holly Ivins untermauert ihre Erklärungen zu diesen und anderen Phänomenen mit Beispielen aus Jane Austens Romanen.
Ihre Kapitel sind eher kurz. Sie nutzt viele Zwischenüberschriften, oft auch solche, die immer wieder auftauchen als Strukturierungshilfe. Das gilt besonders für den Teil des Buchs, in dem sie einzelne Romane vorstellt, sich über die Verfilmungen auslässt (samt der Garderobe, die in welchen Filmen von wem in welcher Rolle erneut getragen wurden – ich wusste gar nicht, dass man sich damit befassen kann 🙂 ), aber auch sonst. Immer wiederkehrend sind „In ihren eigenen Worten“ – da folgt auf eine kurze Bemerkung zu Jane Austens Lebenssituation oder den Zusammenhang im Buch ein Zitat. Auch „Apropos“ nutzt Holly Ivins gern und häufig – hier finden sich kurze Anmerkungen zu heute nicht so bekannten Details. An manchen Stellen fand ich den Lesefluss durch diese immer wieder auftauchenden Einschübe etwas gestört; insgesamt lässt sich das Buch aber leicht und flüssig lesen und bietet tatsächlich – über die Sache mit der Filmgarderobe hinaus – einige Zusatzinformationen, die zumindest ich noch nicht kannte.
Die Beschreibung jedes Romans beginnt mit „In aller Kürze“ und das kann dann so aussehen:
Seit sie zehn Jahre alt ist, lebt Fanny Price im Haushalt ihres reichen Onkels und seiner Frau, wo sie eher stiefmütterlich behandelt wird – doch am Ende findet auch sie ihr Glück (S. 119)
Sehr karg, gelt?
Es folgt eine Auflistung (!) und Charakterisierung aller Personen im Roman, die von Gewicht sind und dann Tipps zu den Themen, die der jeweilige Roman behandelt. Für Mansfield Park, dessen Zusammenfassung Sie eben gelesen haben, heißt es da:
Moral versus Vergnügen
Mansfield Park wurde für die Konsequenz gepriesen, mit der der Text die moralischen Dilemmata einer einzelnen Familie ausleuchtet. (…) Der Roman endet glücklich für Fanny und Edmund, die ihrem Wesen am treusten geblieben sind, und schlecht für alle diejenigen, die ihrer Vergnügungssucht nachgegeben haben, wie Maria und Henry. (S. 127)
Bei hren Kommentaren zu den Verfilmungen finde ich sehr schön, dass sie neben denn „großen“ Kinospektakeln auch die regelmäßig von der BBC produzierten Fernsehadaptionen auflistet . Überhaupt hat es Holly Ivins mit Listen: Neben den Personen in den Romanen listet sie auch wichtige Herrenhäuser auf, die mit den Büchern von Jane Austen in Verbindung stehen, gibt eine Liste mit Sehenswürdigkeiten zum Leben der Autorin und verweist auf die Gebäude, die in den Filmen als Drehort „mitwirkten“. Dann gibt es noch Listen zum Romanpersonal nach verschiedenen Kriterien – v. a. „Wer kriegt wen warum“.
Insgesamt habe ich das Buch von Holly Ivins mit Vergnügen und Gewinn gelesen. Allerdings: „Bibel“ ist dann doch ein bisschen hoch gegriffen – „Entdeckungsreise“ trifft es ganz gut.
Holly Ivins: Jane Austen. Eine Entdeckungsreise durch ihre Welt, übersetzt von Sabine Roth, DVA, München, 2017, ISBN: 9783421047694
Die Besprechung gehört in meine Reihe „Beloved Jane“ zum 200 Todestag von Jane Austen ams 18.7.2017.
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