Jane Austen und ihre Nachfolgerinnen – Nachahmerinnen?

Jane Austen und ihre Nachfolgerinnen – Nachahmerinnen?

Es gibt ja eine Menge Romane, die auf die Texte von Jane Austen zurückgehen – heute ist eine besondere Gruppe dran (in Auszügen!): die der Chick-Lit.

Zu Chick-Lit gibt es hier  und hier ein paar grundlegende Informationen. Im Rahmen von „Beloved Jane“ bin ich über solche Bücher gestolpert. Hier will ich nun drei Beispiele vorstellen – es gibt sehr viel mehr …

„Vermählung“ – nach „Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen

Curtis Sittenfeld hat mit „Vermählung“ (im Original „Eligible“) eine Adaption von „Stolz und Vorurteil“ verfasst, was auch als Untertitel angegeben ist. Namen und Charaktere hat sie fast 1:1 übernommen, das Ganze aber ins Heute verlegt. Die größte Änderung ist das Alter der Leute: Jane ist fast 40! Gut, nach damaligem Verständnis war auch die originale Jane Bennet ein spätes Mädchen, mit 21 Jahren und noch nicht verlobt, geschweige denn verheiratet. Die aktuelle Jane ist also fast 40 und darauf aus, endlich Mutter zu werden, das ist aber eine andere Kategorie. Mr. Bingley ist hier ein schüchterner Arzt, der als Kandidat in der Fernsehshow „Vermählung“  zu sehen war (entspricht im realen Fernsehleben wohl „Der Bachelor“ – so eine Kuppelshow eben.) Jane wird schwanger – künstliche Befruchtung. Und Bingleys Freund Darcy interessiert sich für Janes Schwester Liz – Zoff zwischen den beiden ist die Regel. Am Ende kriegen sich alle.

Ach ja, die jüngeren Schwestern – fitnessbesessen, sich paläokonform ernährend und als Partner von Lydia dann der Betreiber des Fitness-Studios. Letzten Endes ein überraschender Typ. Mary, natürlich, ist bildungsbeflissen wie eh und je – zum Glück gibt’s im 21. Jahrhundert das Fernstudium, da muss sie nicht unter Leute. Obwohl – einmal die Woche geht sie regelmäßig aus. Sie sei lesbisch, vermuten Lydia und Kitty, aber da ist nichts dran. Mary hat hier das letzte Wort – sie hat ihre Bestimmung gefunden. Vorher gibt’s noch den großen Rummel mit der Hochzeit zwischen Bingley und Jane – im Rahmen der Fernsehshow …

PRATICA YOGA 2
Quasi Janes Arbeitsplatz … Nein, sie unterrichtet in einem Studio in New York. Aber sonst. Rmbezerra, PRATICA YOGA 2, CC BY-SA 4.0
Curtis Sittenfeld hat da ein paar gute Ideen – aber leider zu viele Wörter. Kürzen hätte dem Buch gut getan. Sie leuchtet ein paar Lebenswirklichkeiten im heutigen Amerika aus – auch den Status der Nicht-Krankenversicherten und die finanziellen Folgen -, sie bemüht sich, Liz und Darcy als „was sich liebt, das neckt sich“ darzustellen, wirklich überzeugend find ich das nicht. Dass es den Nachfolgeautorinnen von Jane Austen an deren Subtilität in der Charakterführung ihrer Figuren mangelt, ist ja nicht neu. Im Großen und Ganzen handelt es sich um eine Familien-Liebesgeschichte (da es ja nicht nur um Liz und Darcy geht, sondern auch um Jane und Chip (!) Bingley und auch Lydia und Ham) mit coolen Jobs (Yoga, Beauty-Presse, Fitness-Studio) und finanziellen Engpässen. Das Buch gehört in eine Reihe mit Val McDerminds Adaption von Northanger Abbey – der Versuch, Austens Werke ins Heute zu transformieren.

Übrigens ist der Umstand, dass Liz bei der Beauty-Presse arbeitet, für mich der Hauptgrund, das Buch der Chick-Lit zuzuordnen – diese Berufsgattung ist sehr kennzeichnend für das Genre.

Curtis Sittenfeld: Vermählung, übersetzt von Sabine Schilasky, HarperCollins Germany, ISBN: 9783959671149

„Jane Austen bleibt zu Frühstück“

Manuela Inusa holt Jane Austen selbst ins 21. Jahrhundert. Eine Zeitreise, weil sich die Wünsche von zwei Frauen aus unterschiedlicher Zeit „kreuzen“. Auf jeden Fall erwacht Jane zu ihrer Überraschung zwar in ihrem Zimmer in Bath, wo sie sich 1802 neben Cassandra zum Schlafen hingelegt hat, aber hier liegt sie im Bett mit einer fremden jungen Frau, die sich ausgesprochen ungehörig ausdrückt und Penny heißt. Genauer gesagt Penny Lane Rogers. Ja, ja, die Assoziation stimmt genau – Beatles. Pennys Eltern sind bekennende Beatles-Fans und haben alle ihre Kinder entsprechend benannt. Und Penny hat Liebeskummer. Trevor, ihre große Liebe, hat sich von ihr getrennt, weil sie am Valentinstag mit ihm zusammen sein wollte, er aber seine Mutter besuchen wollte. Und die kann Penny nicht ab – wechselseitig. Was wünscht sich Penny also als Jane-Austen-Leserin? Dass die ihr hilft.

Jane Asuten Bath Royal Crescent
Die Gebäude in Bath sind ja gut erhalten über die letzten 200 Jahre – aber der Verkehr …

Jane selbst wünscht sich, die Liebe zu erfahren – das mit Tom Lefroy hat ja nun nicht geklappt. Und schwupps wirbelt das Schicksal in Form von Manuela Inusa die beiden zusammen. Bis der Alltag im 21. Jahrhundert klappt, das dauert ein bisschen – alles so unverständlich für Jane: fließend Wasser, elektrischer Strom, Internet, Autos, die Kleidung und die Umgangssprache. So ist auf jeden Fall für Unterhaltung gesorgt. Und in den Gesprächen darüber, wie Menschen miteinander umgehen können, kommt auch die Liebe vor – ob Pennys Wunsch nach Rat von Jane Austen erfüllt wird, verrat ich hier nicht. Charmant, wenn auch historisch nicht wirklich haltbar, ist die Idee, dass Jane im Bath des Jahres 2015 ihrem Frederick begegnet, dem sie dann in „Persuasion“ ein Denkmal setzt. Manuela Inusa stellt den beiden jungen Frauen eine Reihe schon fast skurriler Gestalten an die Seite – Pennys Eltern, ihr Chef, ihre WG – eine nette Unterhaltung ist garantiert. Das mit der Subtilität setzen wir hier als bekannt voraus.

Manuela Inusa: Jane Austen bleibt zu Frühstück, Blanvalet, München, 2015, ISBN: 9783734101793

Mr. Darcy im Titel – „Stolz und Vorturteil“ von Jane Austen als Bezugspunkt

Mr. Darcy ist ja mindestens seit der Verfilmung mit dem abtauchenden und dann im nassen Hemd agierenden Colin Firth äußerst beliebt (es gibt sogar eine Statue!) – und so gibt es eine Reihe von Büchern, die sich im Titel mit seinem Namen schmücken. Auch Kim Izzos Roman wird in der deutschen Version damit „beworben“ (im Original heißt er „The Jane Austen Marriage Manual“).

Wir haben es hier mit Kate zu tun, die im Rahmen der Finanzkrise ihre lukrativen Vertretungsjobs in der Beauty-Presse (ach nee …) verliert – bisher hat sie Mutterschaftsvertretungen gemacht, ein fester Job war in Aussicht und das ist alles futsch. Ihr Erspartes wird auch immer weniger – Finanzkrise eben. Das Haus, das sie mit Mutter und Großmutter bewohnt, ist nach dem Tod der geliebten Oma auch weg – Muttern hat mit ihrer Spielsucht alles verzockt. Dann ist da noch Kates Auftrag, als freie Journalistin ein, ja eben, „Jane Austen Marriage Manual“ zu schreiben. Sie fährt zu einem Presse-Event der Beauty-Szene nach London und schaut sich um. Ziel ist es, herauszufinden, ob es auch im 21. Jahrhundert möglich ist, als Frau „einfach reich zu heiraten“, wenn es wegen der globalen Umstände nicht zu einer eigenen Karriere reicht. Kate macht sich als eigene Versuchsperson daran, das herauszufinden. Und hat auch einen reichen Fisch an der Angel … Der heißt aber nicht Darcy 😉 und mehr verrate ich nicht.

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Selbst nach St. Moritz verschlägt es Kate einmal die Hotels dort haben schon was … Ist Mr. Rich Mr Right?
Da Jane Austen ihren Heldinnen entgegen dem damaligen Romanzeitgeist herkömmliche Namen gab, kann es Zufall sein, dass die Menschen rund um Kate Marianne, Brandon, Emma usw. heißen – muss es aber nicht. Kim Izzo versucht es mit vielen Dialogen, aber sie schafft es nicht, die Figuren selber so sprechen zu lassen, dass sie auf erläuternde Adjektive und dergleichen verzichten kann – Subtilität, wir hatten das schon.
Die Story gibt Einblicke in das Leben von Leuten bei der Beauty-Presse und steinreicher Leute, Kim Izzo erzählt recht locker, die Story an sich kann als bekannt vorausgesetzt werden (das ist so ein bisschen die Crux mit den Adaptionen, nicht wahr 😉 ? ) – es ist eine nette Unterhaltung.

Kim Izzo: Mr. Darcy bleibt zum Frühstück, übersetzt von Christine Heinzius, Goldmann Verlag, München, 2013, E-Book, ISBN: 9783641088835

Fazit zu den Jane-Austen-Nachahmerinnen

Insgesamt finde ich, dass es Autorinnen (und Autoren) schwer haben, die solche Adaptionen schreiben – gerade bei Jane Austen. In all‘ den Büchern, die ich im Rahmen von „beloved Jane“ bisher gelesen habe, schnitten die Texte schlechter ab als die Original-Texte. Das liegt zu großem Teil daran, dass Jane-Austen-Fans wie ich die Originale eben so sehr schätzen, jede Wendung und jeden Hinweis erkennen können (ich weiß, dass meine Erstbegegenung mit der Autorin nicht sooo erfolgreich war – ich hab sie mir erlesen müssen). Um neben dem Stil – sprachlich wie inhaltlich – bestehen zu können, muss ein schreibender Mensch schon sehr gute Ideen haben und sie überzeugend darstellen können. Je länger ich Nachfolge- und Nachahmerbücher gelesen habe, desto häufiger habe ich gedacht, die kreative Energie hätte man auch in völlig eigenständige Werke stecken können, die sich dann nicht mit einer der ganz Großen in der Litertatur vergleichen lassen müssen. Ja, bei den Büchern von Joan Aiken habe ich das auch oft gedacht … Andererseits ist es natürlich interesant zu schauen, wie andere den Stoff behandeln – eine zwiespältige Situation.

(Pssssst! Ich glaube, dass die Verbindung mit Jane Austen auch, sagen wir mal, „wirtschaftliche“ Auswirkungen hat. Ob auch Ursache? Wer weiß.)

Die Titel sind auch in der Stadtbibliothek Köln zu finden

E-Book „Mr Darcy bleibt zum Frühstück

E-book „Jane Austen bleibt zum Frühstück

„Eligible“ als Buch und als Hörbuch

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

2 Comments

  • Maike

    28. September 2017 at 11:25 Antworten

    Die Statue! Sachen gibt’s … Aber generell finde ich deine Einschätzung der Nachahmerwerke sehr spannend. Dass schon der Name Jane Austen auf Leserseite Neugier weckt (bzw. sogar gezielt wecken soll), glaube ich auch, und ebenso, dass es ein zweischneidiges Schwert ist, erklärtermaßen nach einem sehr hochkarätigen Vorbild zu arbeiten, an dem man sich dann auch messen lassen muss.

    • Heike Baller

      5. Oktober 2017 at 11:51 Antworten

      Und ich hab da jetzt nur die einigermaßen passablen rausgesucht. Verrisse gebbet bei mir ja idR nicht. Obwohl …

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